Der Göppinger Tiefbauamtschef Helmut Renftle steigt auf zum Baubürgermeister. Doch ehe er die Gratulationen nach seiner Wahl entgegen nehmen konnte, gab es im Gemeinderat heftigen Streit und Vorwürfe gegen den Oberbürgermeister.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Helmut Renftle hat es geschafft. Der bisherige Fachbereichsleiter für Tiefbau, Umwelt und Verkehr ist drei Tage vor seinem 63. Geburtstag vom Göppinger Gemeinderat zum neuen Baubürgermeister gewählt worden. Er folgt damit auf Olav Brinker, den er im zweiten Wahlgang mit 20 zu elf Stimmen bei sieben Enthaltungen hinter sich ließ. Im ersten Wahlgang hatte Renftle zwar ebenfalls deutlich mit 17 zu zehn Stimmen geführt. Weil aber gleichzeitig zwölf Stadträte ihre Stimmzettel als ungültig gekennzeichnet hatten, reichte es nicht für die erforderliche absolute Mehrheit.

 

Fast wäre die Abstimmung verschoben worden

Der CDU-Fraktionschef Felix Gerber, dessen Partei Renftles Kandidatur unterstützt hatte, sprach von einer puren Trotzreaktion. Offenbar sei versucht worden, auf Kosten von Renftle den OB zu beschädigen. „Sie betreiben Politik gegen die Verwaltung“, sagte auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Klaus Rollmann. Zwei weitere Bewerberinnen, die in die engste Wahl gekommen waren – darunter die von SPD, Grünen und Teilen der Freien Wähler favorisierte Stadtbaumeisterin von Landsberg, Annegret Michler, – hatten zu Wochenbeginn abgesagt. SPD und Grüne, die eine Einmischung des OB dahinter vermuteten, hatten die Wahl deshalb verschieben wollen. Ihr Antrag wurde jedoch in geheimer Abstimmung mit einer Stimme Unterschied abgelehnt.

SPD sieht eine neue Situation

Durch die kurzfristigen Absagen sei eine völlig neue Situation entstanden, hatte der SPD-Fraktionschef Armin Roos erklärt. Die sauberste Lösung, eine Neuausschreibung, sei zwar wegen der gesetzlichen Fristen nicht möglich. Dennoch gebe es erheblichen Beratungsbedarf. Sein Grünen-Kollege Christof Weber sagte, eigentlich solle die Wahl das Ende eines demokratischen Prozesses sein. Stattdessen gehe es nun aber um das „Ende eines schlechten Spiels“, bei dem der bisherige Baubürgermeister über Jahre demontiert worden sei.

Brinkers Martyrium

So hatte es auch Brinker zuvor in seiner Bewerbungsrede dargestellt. Was Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bezug auf das russische Verhalten gegenüber der Ukraine gesagt habe, treffe auch auf Göppingen zu: „Hier siegt das Recht des Stärkeren gegen die Stärke des Rechts.“ Systematisch sei er vom OB ins Abseits gestellt worden, nachdem Till ihn in einem Vier-Augen-Gespräch vor fünf Jahren für unfähig erklärt habe. „Wie ein einer Sandkiste wurden Burgen eingetreten und Förmchen gestohlen“, sagte Brinker. Er habe sich öffentlich beschimpfen lassen müssen. Teilweise habe er sich nach Sitzungen übergeben müssen.

„Ich bin stolz, für die Stadt Göppingen arbeiten zu dürfen, ich liebe die Stadt, den Hohenstaufen und die Menschen, die hier leben“, stellte sich hingegen Renftle vor. Er wolle sich für eine Entwicklung der Innenstadt, einen Ausbau des Citybus-Systems und eine Sicherung der Altstadt einsetzen. Führung bedeute für ihn Verantwortung zu übernehmen, Ziele zu formulieren und Entscheidungen zu treffen. Das habe er zuletzt nicht mehr erlebt. In den kommenden fünf Jahren wolle er dem Baudezernat wieder seine einstige Bedeutung zurückgeben.

„Das ist eine Sauerei“

Am Ende strahlte Renftle, auch wenn er sich wohl kaum als strahlender Sieger fühlen konnte. „Das ist eine Sauerei, was hier abgelaufen ist. Wie stehen wir jetzt wieder da?“, schimpfte das FDP-Urgestein Rolf Daferner. Die Wahl sei gut für Göppingen, aber kein Ruhmesblatt, sagte Felix Gerber. Er hoffe, dass Renftle nun die nötige Ruhe hereinbringe, erklärte Emil Frick (Freie Wähler). Sein Fraktionschef Wolfram Feifel sprach von einer „schwierigen Geburt“. Der Oberbürgermeister selbst äußerte sich nicht zu all den Vorwürfen. „Ich freue mich auf die nächsten fünf Jahre“, sagte Till bloß.