Laut Bauministerin Geywitz soll das serielle Bauen ein Schlüssel sein, um schnell günstigen Wohnraum zu schaffen. Doch Experten sind weniger optimistisch.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Klara Geywitz nickt zufrieden. Das Badezimmer ist nach dem Geschmack der Bauministerin, das Zimmer mit Bett und kompakter Küchenzeile ebenfalls. „Ist doch eine tolle Wohnung für Studenten oder Azubis. Sogar mit Balkon“, sagt die Ministerin. Einziehen wird dort allerdings niemand. Es handelt sich um eine Musterwohnung auf dem Werksgelände von Daiwa, einem japanischen Unternehmen, das sich auf serielles Bauen spezialisiert hat.

 

Am Montag war die Bauministerin vor Ort, um das Werk im brandenburgischen Fürstenwalde zu besichtigen. Geywitz und viele andere Verantwortliche hoffen auf das serielle Bauen, um den Wohnungsmangel in Deutschland zu bekämpfen. „Das serielle Bauen geht aus der Nische immer mehr in die Breite“, sagte Geywitz. Doch nicht alle teilen den Optimismus für das Konzept.

Das Prinzip des seriellen Bauens ist denkbar einfach: Ein Haus entsteht nicht Stein auf Stein auf der Baustelle, sondern wird in einer Fabrik vorgefertigt. In der Werkshalle in Fürstenwalde werden Häusermodule gebaut – doch die Wohnungen daraus werden rund 60 Kilometer weiter westlich in Berlin entstehen. Die einzelnen Module von 9 mal 3 Meter bestehen aus einem Stahlrahmen mit Bodenplatte aus Beton. Dann folgen Wände, Fenster, Türen, Kabel, Steckdosen, Dämmung, Fußbodenheizung, wenn gewünscht auch Bodenbelag und Tapete. Die Module werden dann verpackt und per Laster nach Berlin gebracht, wo sie aufeinandergestapelt werden wie Lego-Bausteine.

Die Vorteile: Die einzelnen Gewerke kommen sich hier nicht in die Quere, wie es sonst oft auf der Baustelle passiert. Jeder Arbeitsschritt ist genau auf den anderen abgestimmt. Außerdem haben die Arbeiter jeden Tag den gleichen Arbeitsweg, müssen nicht monatelang auf Montage sein. Der Arbeitsplatz ist immer trocken, anders als draußen.

Die Idee des seriellen und modularen Bauens ist nicht neu. In der DDR wurden die typischen Plattenbauten auch in Serie gefertigt. Den Vergleich hört man heute in der Branche allerdings nicht so gern. Die Qualität der Wohnungen heute soll höher sein, zudem lassen sich die Fassaden abwechslungsreicher und schöner gestalten.

Die Arbeit in der Fabrik soll auch Zeit sparen – und Geld. „Wir sind 20 bis 25 Prozent günstiger als beim herkömmlichen Bau“, sagt Andreas Göbel, Vertriebschef von Daiwa. Besonders zum Tragen kommt dieser Kostenvorteil bei großen Vorhaben. Das Bauprojekt in Berlin, für das Daiwa derzeit Module produziert, hat insgesamt 1500 Wohnungen. In Zeiten, wo günstiger Wohnraum knapp ist, eine Chance. Das Unternehmen bietet verschiedene Grundrisse an, vom Kleinapartment bis zur Familienwohnung mit fünf Zimmern. Bauherren können diese nach eigenen Wünschen wählen.

Es gibt aber auch Experten, die das serielle Bauen skeptischer sehen. Zu ihnen zählt Dietmar Walberg, Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ in Kiel und einer der renommiertesten Fachleute im Bereich Wohnungsbau in Deutschland. Für seine Zurückhaltung führt er vor allem einen Grund an: „Die meisten Mehrfamilienhäuser, die in Deutschland gebaut werden, haben zwischen 12 und 20 Wohnungen. Bei Projekten dieser Größe ist der herkömmliche Mauerwerksbau viel günstiger.“ Deutliche Einsparungen würde man beim seriellen Wohnungsbau erst bei Projekten mit einer dreistelligen Zahl an Wohnungen erzielen.

Besonders groß schätzt Dietmar Walberg folglich den Marktanteil dieser Bauweise nicht ein. „Der Anteil des seriellen Bauens beim Geschosswohnungsbau beträgt aktuell drei bis fünf Prozent. Meiner Meinung nach liegt das Potenzial bei maximal sechs bis neun Prozent.“

Walberg sagt auch, es sei durchaus sinnvoll, auf Vorfertigung zu setzen. Das werde aber ohnehin schon gemacht, etwa bei Zwischenwänden oder Fertigteildecken. „Baustellen sind heute längst keine Manufaktur-Werkstätten mehr“, sagt Walberg.

Auch bei Daiwa gibt es Wünsche an die Politik. Das Bauen müsse einfacher werden und einheitlicher. Denn die Bauordnungen der 16 Bundesländer unterscheiden sich vielfach. So weichen etwa die Vorgaben für die Höhe der Balkonbrüstung um 10 oder 20 Zentimeter voneinander ab. Nicht viel – aber in der Summe zu viel, um effektiv in Serie zu bauen.