Auch Landwirte suchen nach neuen Absatzmärkten. Katharina Kolbe und ihr Vater Bernhard Müller stellen auf ihrem Merklinger Heidehof mittlerweile Eis her.

Weil der Stadt - Wie ein kühler Thron steht die Zaubermaschine in der Mitte des großen Raums. Nüchtern und steril ist es hier, wer reinkommen will, braucht spezielle Schuhe und ein Netz auf dem Kopf. Weiß gekachelt ist es wie in einer Großküche oder in einem Schlachthaus.

 

Beides würde zu einem Bauernhof passen – aber weit gefehlt. Katharina Kolbe und ihr Vater Bernhard Müller machen Eis. „Etwa 20 Minuten brauchen wir pro Sorte“, erklärt Kolbe und muss weitermachen. Die beiden stehen vor der großen Maschine im Zentrum. Ein bisschen nach Waschmaschine sieht sie aus, nur schulterhoch. Oben gießen sie die Rohstoffe rein, dann drücken sie auf den Knopf. Und unten kommt die Köstlichkeit aus.

Das klingt einfach, aber diese Annahme wäre natürlich weit gefehlt. „Wir verwenden nur natürliche Rohstoffe“, sagt Katharina Kolbe und schaut ihren Vater an. Gerade ist die Sorte Heidelbeere dran. Die frischen Früchte hat er eben gemixt, jetzt treibt er sie durch die Flotte Lotte, eine Art Sieb – keine ganz einfache Arbeit und durchaus kräftezehrend.

Die Heidelbeeren haben schon eine kleine Anfahrt hinter sich, sie kommen von einem Hof aus der Pfalz. Das ist aber die Ausnahme. Den Hauptrohstoff, die Milch, bezieht Katharina Kolbe vom Hof der Familie Haug in Schafhausen, auch die anderen Zutaten kommen entweder vom eigenen oder von benachbarten Höfen. So sieht es das Konzept auch vor. „Bauernhof-Eis“ ist eine Marke, die ursprünglich aus den Niederlanden stammt. Landwirte, Milchviehhalter und Obstbauern sollen dabei die Möglichkeit bekommen, selbst mehr Gewinn aus ihren Produkten zu erzielen. Der größte Zusammenschluss von Eisherstellern ist daraus mittlerweile geworden, in ganz Europa produzieren Bauern köstliche Eiscreme.

Heidelbeeren müssen erst durch die Flotte Lotte

Zum Beispiel aus Heidelbeeren, so wie im Moment Bernhard Müller. Die Masse hat ihren Weg durch die Flotte Lotte gefunden, jetzt kommt nur noch ein wenig Wasser, Zucker und Zitronensaft dazu. Und dann geht’s endlich zum großen Herzstück, der Eismaschine.

Oben wird die Masse zunächst auf 73 Grad erhitzt. Nach zehn Minuten köcheln fließt sie dann runter, in die zweite Trommel. Dort wird es kalt, etwa elf Grad minus. Viele Messer im Inneren rühren die blau-rote-lila Creme die ganze Zeit. Zehn Minuten später schließlich quietscht es.

„Oh, wenn es quietscht, dann ist es fertig“, erklärt Katharina Kolbe. Seit vier Jahren schon hat sie Routine darin, seitdem schon verwandelt sich der Merklinger Heidehof regelmäßig in den Eishof. Kolbe hat Agrarwirtschaft in Nürtingen studiert und dabei ein Praktikum beim Landwirtschaftsamt in Calw gemacht. „Dabei habe ich einen Hof besucht, die damals schon Bauernhof-Eis hergestellt haben“, erinnert sie sich.

Klar, die junge Frau war schon immer auf der Suche nach guten Ideen. „Das wär doch auch was für uns“, hat sie sich damals gedacht. Nach einer Präsentation des Konzepts war sie immer noch begeistert. Denn alleine gelassen wird bei der niederländischen Idee niemand. Die Eismaschine, Rezepte, Rohstoffe wie echte Vanille und Tipps und Tricks gibt es von den niederländischen Experten.

Auch die kleinen Becherchen, die man mittlerweile an vielen Orten in Deutschland sieht. Solche etikettiert jetzt auch Bernhard Müller. Überall muss ein Zettel mit der Zutatenliste und ein Zettel mit dem Haltbarkeitsdatum drauf. Die Tochter Katharina Kolbe kratzt derweil die lila Heidelbeer-Masse aus der Eismaschine. Acht Liter sind das insgesamt.

Früher war die Eisküche ein Schweinestall

Auch das Abfüllen ist Handarbeit. Mit einem großen Spritzbeutel, ähnlich wie die Konditoren, füllt Kolbe die Masse in die Becher. Mmmmmm! Wenn das die Schweine wüssten, die einmal hier rumgesprungen sind. Denn der Schweinestall der Müllers war das einmal hier, lange bevor die Eisküche eingezogen ist.

Neben dem Eis betreiben Bernhard Müller und Katharina Kolbe einen ganz normalen Bauernhof. 70 Hektar Ackerbau bewirtschaften sie und bauen Getreide und Mais an, dazu zehn Hektar Wiesen. Schweine gibt es nicht mehr, dafür Legehennen, Schafe und Pferde.

Ein wenig gewundert habe er sich schon, erinnert sich Bernhard Müller, als seine Tochter mit der Eis-Idee angekommen ist. „Ich bin selbst gelernter Metzger“, sagt er dann aber und lächelt fröhlich. Mischen von Zutaten, Rühren in Schüsseln – fast hat man den Eindruck,. als ob der Umgang mit Lebensmitteln auch den Papa wieder ein wenig in die eigene Jugend zurückbringt. „Ich hab schließlich schon immer gern Eis gegessen“, sagt Bernhard Müller.

Mittlerweile hat sich die Eis-Produktion auch einen nennenswerten Anteil am Umsatz des Hofes erobert. Im ganzen Kreis Böblingen hat Katharina Kolbe Kunden gefunden. Das regionale Eis steht in Supermärkten im Regal, in Restaurants auf der Karte. Mit ihrem eigenen Eiswagen ist die Merklingerin aber auch auf Festen und Märkten unterwegs.

Und spätestens, wenn es die Leute in den Händen halten, merken sie, dass es nicht aus der Fabrik kommt. Denn genießbar ist es noch nicht, wenn es aus dem minus 18 Grad kalten Gefrierschrank kommt – es ist zu hart. Das Becherchen vor dem Genuss immer erst zehn Minuten stehen lassen, raten die beiden. „Fabriken verwenden Weichmacher, viel Fett und pumpen Luft ins Eis, damit es sofort cremig weich ist“, erklärt Katharina Kolbe.

Und so lassen die Merklinger Gelatiers Sorte für Sorte durch die Eismaschine. 25 Arten insgesamt haben sie im Angebot. Aber was ist das beliebteste Eis? Kolbe muss schmunzeln. „Schoko mit Splittern ist zurzeit der Renner“, sagt sie dann. Einen ganzen Tag lang steht sie bei so einer Produktion mit ihrem Vater in der Eisküche. Dazwischen wird natürlich auch verkostet. „Abends hat man dann schon Lust auf was Herzhaftes“, sagt sie.