Bauernkrieg in Esslingen Zwei Brüder im Kreuzfeuer

Das Dokument von 1524 zeigt den Zeitgeist während des Bauernkrieges. Foto: Michael Saile

Sie dienten verschiedenen Seiten – der eine dem Esslinger Establishment, der andere den Aufständischen. Doch am Ende verdankte der eine Bruder dem anderen sein Leben.

Ein aufmüpfiger Revolutionär der eine, ein kreuzbraver Jurist der andere. Die Brüder Feuerbacher hätten unterschiedlicher nicht sein können. Der Rebell mag das aufregendere Leben gehabt haben. Doch dass er am Leben blieb, verdankte er dem Juristen. Die Unterschiedlichkeit zweier Brüder im Kreuzfeuer des Bauernkriegs zeigt eine Urkunde, die ab Dienstag, 7. Oktober, im Stadtmuseum in Esslingen gezeigt wird.

 

Matern Feuerbacher war der kämpferische. Er war Hauptmann des „Hellen Christlichen Haufens“ auf der Seite der Bauern. Die Aufständischen wehrten sich gegen Unfreiheit, Abhängigkeiten durch Abgaben und Frondienste, Armut, soziale Ungerechtigkeiten und die Unterdrückung durch Grund- und Landesherren.

Esslingens Stadtarchivar Joachim Halbekann hat über die beiden ungleichen Brüder während der Bauernkriege recherchiert. Foto: Roberto Bulgrin

Wut und Frust waren groß. Dennoch schlug Matern Feuerbacher nicht blind drauf los: „Er gehörte insgesamt zu den eher gemäßigten, kompromissbereiten Bauernführern“, hat Esslingens Stadtarchivar Joachim Halbekann recherchiert. Doch Besonnenheit, Mäßigung und wohl auch Idealismus änderten nichts an seinem Schicksal. Die Schlacht von Böblingen am 12. Mai 1525 endete mit einer verheerenden Niederlage der Bauern. Der Schwäbische Bund unter dem berüchtigten Bauernjörg, dem Truchsess Georg von Waldburg, triumphierte. Matern wurde gefangen genommen und 1527 vor Gericht gestellt.

Der Bruder des Rebellen war ein kreuzbraver Spitalschreiber

Sein Bruder Bernhard Feuerbacher aus Bottwar hatte einen anderen Weg eingeschlagen. Er diente dem Establishment, war seit 1500 Esslinger Bürger und Jurist. Sein Brot verdiente er als Spitalschreiber und kaiserlicher Notar. Zeugnis seiner Tätigkeit für die Stadtoberen legt das im Stadtmuseum ab Dienstag gezeigte Dokument ab, das er am 2. Mai 1524 ausgestellt und geschrieben hat. Die Autorenschaft Bernhard Feuerbachers belegt laut Joachim Halbekann ein eigenhändiges Notariatssignet am Schluss der Urkunde: „Der Inhalt ist insofern nicht uninteressant, als er einen Protest der Stadt Esslingen gegen die Repräsentanten des Stifts in Konstanz enthält, das ein Weggeld nicht zahlen wollte: Kirchenkritik und Antiklerikalismus gehören zu den vorherrschenden Stimmungen der Zeit“. Bis mindestens 1532 lebte Bernhard in Esslingen.

Beruf, politische Überzeugungen und Lebenswege mögen sich unterschieden haben. Doch am Ende hielten die Brüder zusammen. Dank „auch des intensiven und kundigen Beistands seines Bruders“ wurde Hauptmann Matern Feuerbacher nach seiner Verhaftung nicht wie viele seiner Mitkämpfer hingerichtet. Er gehörte laut Halbekann zu den wenigen Anführern der Bauern, die freigesprochen wurden.

Im Stadtmuseum Gelbes Haus am Hafenmarkt in Esslingen wird die Urkunde, die Bernhard Feuerbacher ausgestellt hat, ab Dienstag, 7. Oktober, gezeigt. Foto: Roberto Bulgrin

Nicht nur die Brüder Feuerbacher wurden vom dynamischen Strudel der Ereignisse mitgerissen. Auch Esslingen wurde von der Wucht der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung überschwemmt. Spätestens seit 1522 erstarkten in der Freien Reichsstadt die Anhänger des Reformators Martin Luther. Allen voran, so Halbekann, der Bürgersohn Michael Stifel. In der Stadt gab es wichtige Reichsinstitutionen. In den Stadtmauern befand sich das Reichsregiment, eine Art provisorische Reichsregierung während der Abwesenheit des Kaisers. Das Reichskammergericht war 1495 eingerichtet worden und fungierte als höchstes Gericht vor allem bei Berufungsverfahren: „In gewisser Weise war Esslingen damit bis 1527, als beide Institutionen die Stadt dauerhaft verließen, eine Hauptstadt des Reiches.“

In diese politische Bedeutsamkeit platzte der Bauernkrieg hinein. „Dies war nicht zuletzt auch für eine Stadt wie Esslingen extrem bedrohlich, weil sich zwar überwiegend Angehörige der ländlichen Bevölkerungen gegen die Verhältnisse auflehnten, aber auch zahlreiche Städter, im übrigen nicht nur aus den Unterschichten, die Aufständischen unterstützten“, beschreibt Halbekann den explosiven Geist in der Stadt.

Das Kloster Weil und der Sirnauer Hof wurden zerstört

Esslingen nahm eine Zwischenrolle ein. Zusammen mit anderen Gegenden Südwestdeutschlands wie dem Hegau waren Württemberg, Franken, das Elsass oder Thüringen Hauptschauplätze des großen Bauernkriegs der Jahre 1524 und 1525, sagt Joachim Halbekann. Dennoch wurde Esslingen nicht wie andere Städte von einem „Bauernhaufen“ besetzt oder öffnete ihm die Tore. „Doch wirkten die großen und gewaltförmigen Unruhen vielfach auf die Stadt und ihre Bürger ein.“ Im April 1525 wurden das Kloster Weil und der Sirnauer Hof, die beide vor den Toren der Stadt lagen, von den Bauern geplündert.

Die Situation wurde schließlich so heikel, dass die Angehörigen von Reichsregiment und Reichskammergericht Esslingen fluchtartig verließen, während sich gleichzeitig zahlreiche Adelige und Geistliche hinter die sicheren Stadtmauern flüchteten. Mittendrin in den Turbulenzen waren die so unterschiedlichen Brüder Feuerbacher.

Esslingen und die Bauernkriege

Vorträge
Zum Jubiläum 500 Jahre Bauernkrieg gibt es in Esslingen eine Vortragsreihe: „Bewegte Jahre - Esslingen 1524 -1527“ mit Joachim Halbekann am Dienstag, 7. Oktober, um 19 Uhr im Alten Rathaus; „Herzog Ulrich von Württemberg und der Bauernkrieg“ mit Professor Peter Rückert am Mittwoch, 15. Oktober, um 19 Uhr im Stadtmuseum, Hafenmarkt 7; „ Esslingen und der Umgang mit religiösen Bewegungen zur Zeit des Bauernkriegs“ mit Manfred Waßner am Dienstag, 28. Oktober, um 19 Uhr, im Stadtmuseum; „Für die Freiheit: Der Bauernkrieg 1525“ am Mittwoch, 5. November, um 19.30 Uhr im A22 (Augustinerstraße 22). Mehr unter: stadtarchiv.esslingen.de .

Exponat
Unter dem Titel „Historische Schätze“ zeigen die Städtischen Museen Esslingen Objekte und Neuerwerbungen. Zudem werden Schätze aus dem Fundus des Stadtarchivs und des Esslinger Geschichts- und Altertumsvereins präsentiert. Die Objekte sind vom ersten Dienstag des Monats an im Stadtmuseum „Gelbes Haus“ am Hafenmarkt zu sehen. Mehr unter www.museen.esslingen.de .

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