Wer als Zuschauer das Bauernkriegsstück besucht, wird mitten in die Vergangenheit hineingeworfen – und muss mitentscheiden, wie die Handlung weitergeht. Am 11. Juli feiert es Premiere.

1525, die Mühle in Heimingen brennt. Damit ist klar: für die Bauern wird das Brot bald knapp werden. Das zuständige Kloster kann die Mühle aus finanziellen Gründen aber nicht wieder aufbauen. Also muss eine Sonderabgabe her, was bei den Bauern das Fass zum Überlaufen bringt.

 

Im Stück „Äbtissin oder Magd – Entscheidungen machen Geschichte“ stehen zwei Frauen am Vorabend des Bauernkriegs zwischen den Fronten.

Vier Bühnen für sechs Akte

Am 11. Juli feiert das Stück, in dem das DAT-Ensemble gemeinsam mit dem Theaterjugendclub spielt, Premiere. Doch wer glaubt, sich als Zuschauer zurücklehnen und gemütlich berieseln lassen zu können, der irrt: Das innovative Schauspiel-Format lässt die Zuschauer nach einigen Minuten Spielzeit immer wieder selbst entscheiden, wie es weitergehen soll.

Auf vier Bühnen spielt sich deshalb das Geschehen ab, das Spiel selbst hat sechs Akte. Insgesamt 33 Möglichkeiten, wie die Handlung verlaufen kann, sind von den Machern vorbereitet worden. Der eine oder andere kennt dieses Prinzip eventuell noch von Fantasy-Rollenspielen und Soloabenteuern, die in den 1970ern und 1980ern auch als Bücher populär waren. „Choose your own Adventure“, zu deutsch „Wähle dein eigenes Abenteuer“, so lautet das Motto.

Während man im Buch allerdings zwischen den Handlungssträngen wählt und im entsprechenden Abschnitt weiterliest, wechselt das Publikum beim Stück der DAT-Schule zwischen den Bühnen. Die Zuschauer tragen dabei Kopfhörer und werden zum Ende jedes Akts gefragt, welchen Protagonisten sie folgen wollen. Der Äbtissin oder der Magd? Konfrontation oder Verhandlung? Frieden oder Krieg?

Die Szenen sind nicht historisch

Regie führen Tobias Ballnus und Tanja Frank, der Text entstand in Zusammenarbeit mit Lea Wegner, der Leiterin des Bauernkriegsmuseums. Die Szenen sind nicht historisch belegt, könnten sich aber durchaus so abgespielt haben. Ziel ist es, die Folgen von individuellem und kollektivem Handeln für das Publikum erfahrbar zu machen. Die 27 Akteurinnen und Akteure können sich in die verschiedenen Szenarien versetzen. „Ich ziehe da ganz groß den Hut vor dem Ensemble“, meint Tobias Ballnus und bescheinigt den Spielenden inzwischen sogar bessere Stückkenntnis als sich selbst.

Die Schauspieler tragen teils mittelalterliche Kleidung. Foto: Eibner-Pressefoto

Auf das ungewöhnliche Format ist Tanja Frank gestoßen, als sie eine Aufführung nach dem Prinzip „Choose your own Adventure“ in Frankfurt gesehen hat. Das übertrug sie auf die Bauernkriegsthematik. Bei der Probe an diesem Tag beginnen die Schauspieler mit dem dritten Akt, wo die Magd und die Äbtissin aufeinander treffen.

Die Klosterfraktion der Äbtissin Christina trägt Nonnenhabit, die Bauern um die Magd Margarete haben sich vom Punk-Look inspirieren lassen. Man erfährt von der Not der Bauern, die hustend in Lumpen gehen, deren Nachwuchs teils die Kindheit nicht überlebt und die ohne Vieh das Feld bestellen müssen. Und man hört von der Fürsorgepflicht und der klammen Kasse des Klosters. „Wir stehen für euch ein“, beteuert die Äbtissin Christina ihr Verständnis für die Lage der Bauern.

Unverschämtheit und Gottesfrevel

In beiden Lagern gibt es aber auch radikale Stimmen. „Die Mühlensteuer ist uns ein Graus. Wir werden den Teufel tun, sie zu bezahlen“, ruft eine Frau erzürnt. Unverschämtheit und Gottesfrevel, meinen die Dogmatischen unter den Nonnen und verweisen auf die althergebrachte göttliche Stände- und Rechtsordnung. Die Lage eskaliert, als sich die Bauern Fische aus dem Klosterweiher besorgen und die zwölf Artikel präsentieren, eine Frühform der Menschenrechte. Erleichterung von den Abgaben, freie Jagd und das Ende der Leibeigenschaft fordern sie – ja ist denn das zu glauben? Es wird diskutiert und skandiert und die Milde der Äbtissin mit Verrat bestraft.

Das Historienstück wird auf dem Böblinger Marktplatz aufgeführt. Foto: Eibner-Pressefoto

Was die Lautstärke betrifft, müssen sich die Schauspielerinnen und Schauspieler zügeln, damit sie die anderen nicht übertönen, schließlich werden sie bald auch Mikrofone tragen. Um die Technik kümmert sich die Herrenberger Firma EMT (Event-Media-Tec GmbH) und bei Fragen der Genehmigungen unterstützte Andreas Wolfer vom Kulturamt die DAT Kunstschule maßgeblich.

Christian Baudisch öffnet außerdem das Fleischermuseum zum Umziehen und für die Lagerung der Requisiten. Diese sind allerdings spärlich: Um die Dynamik nicht zu bremsen, riet die Ausstatterin Katharina Müller nur zu dem, was der Darsteller tragen können.

Ganz am Schluss des selbst gewählten Spiels wird das Publikum vor der Hauptbühne wieder zusammengeführt und dazu animiert, sich über die unterschiedlichen Erlebnisse auszutauschen.

Karten und Termine

Termine
Das Stück ist vom 11. bis 13., vom 17. bis 20. und vom 24. bis 27. Juli zu sehen. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 19.30 Uhr.

Tickets
Karten kosten regulär 14 Euro, ermäßigt zehn. Eine Familienkarte ist für 35 Euro zu haben. Für Gruppen ab zwölf Personen gelten Sonderkonditionen, Schüler der DAT Kunstschule haben freien Eintritt. Erhältlich sind die Karten über die Internetseiten kunstschule-boeblingen.de oder boeblingen.reservix.de.