Vertriebsleute klagen weiterhin über unverhältnismäßig lange Bearbeitungszeiten bis zur Kreditzusage. Die Bausparkasse will gegensteuern.  

Ludwigsburg - Das Problem ist ein Dauerbrenner bei der Bausparkasse Wüstenrot. Bis die Kunden eine verbindliche Kreditzusage erhalten, vergehen oft Wochen. Dies zermürbt nicht nur die angehenden Bauherren oder Immobilienfinanzierer, sondern auch die Vertriebsleute, die für das Ludwigsburger Unternehmen arbeiten. "Die Verhältnisse sind eher schlimmer geworden", klagt eine Außendienstmitarbeiterin, die schon lange an Bord ist. Eine Bearbeitungszeit von vier bis sechs Wochen sei "schon gut", kompliziertere Anträge dauerten sogar noch länger. Die wenigsten Reibungsverluste gebe es bei Darlehenszusagen für zugeteilte Bausparverträge. Um ihre Kunden nicht enttäuschen zu müssen, übernähmen die formal selbstständigen Vertriebsleute schon viele Vorarbeiten, die eigentlich der Innendienst erledigen müsste, erzählt die Wüstenrot-Vertreterin und merkt kritisch an: "Den Aufwand hierfür bekommen wir nicht vergütet, haben aber entsprechend weniger Zeit, unsere Kunden vernünftig zu betreuen."

 

Die Wüstenrot AG, die sich nach Schwäbisch Hall als Nummer zwei unter den privaten Bausparkassen sieht, zeichnet ein weniger dramatisches Bild der Verhältnisse. "Wir haben eine spürbare Stabilität bei den Bearbeitungszeiten erreicht", erklärte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. "Bei circa 500 Bearbeitungen pro Tag sprechen wir aktuell von einem Produktionsvolumen von durchschnittlich fünf bis sechs Tagen." Spezialfinanzierungen dauerten allerdings länger. Rund 2000 Kreditanträge harrten in Ludwigsburg der Fertigstellung. Das seien 40 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Tochter der Wüstenrot und Württembergische AG (W&W) verweist darauf, dass das Baufinanzierungsvolumen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sei. Von Januar bis September 2011 habe das Kreditneugeschäft im gesamten Konzern - also auch bei der Wüstenrot Bank, der Württembergischen Lebensversicherung und den beiden Töchtern in Tschechien - um knapp 182 Millionen Euro auf rund 4,54 Milliarden Euro zugelegt. Das teilte der Stuttgarter Finanzkonzern aktuell mit. Bei der Bausparkasse belief sich das Plus auf 8,7 Prozent und eine Summe auf 2,95 Milliarden Euro. Es lag damit nach Konzernangaben deutlich über dem Branchenwachstum von 6,8 Prozent.

"Wir haben für die Mitarbeiter eine gute Lösung hinbekommen"

Seit siebeneinhalb Monaten lässt der Konzern Kreditanträge von der eigens hierfür in Berlin gegründeten W&W Produktion GmbH (WWP) bearbeiten. Gegenwärtig arbeiteten dort rund 80 Mitarbeiter, sagte ein Sprecher. Die Bankkaufleute werden von der WWP jedoch deutlich schlechter bezahlt als die Stammbelegschaft - nach Gewerkschaftsangaben liegt das Gehaltsniveau um etwa 30 Prozent unter dem Bankentarif und Wüstenrot-Niveau. Ziel bei Gründung der tariflosen Kreditfabrik war, 100 Stellen zu besetzen. Die Fluktuation am Standort Berlin sei mit zehn Prozent nicht ungewöhnlich hoch, urteilt der Finanzdienstleister. Die Gewerkschaft Verdi sieht das anders: "Wer eine Alternative findet, wird kündigen", meint Verdi-Sekretär Jochen Höpken. Auch weil es in der Hauptstadt andere attraktive Arbeitgeber in der Finanzbranche gebe, etwa die Daimler-Tochter Financial Services. Man sei mit der Entwicklung der WWP "insgesamt sehr zufrieden, auch was die inzwischen gute Produktivität und Flexibilisierung betrifft", betont dagegen W&W.

Auch wenn aktuell keine weiteren Verlagerungen von Tätigkeiten nach Berlin geplant seien, wie ein Sprecher betont, hat die neue Kreditfabrik die Belegschaft stark verunsichert. Deshalb hat der Wüstenrot-Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitgeber seit Längerem über eine Beschäftigungs- und Standortsicherung verhandelt. Die Gespräche waren schwierig, ein Eckpunktepapier vom Juli wurde dann vom Management doch nicht angenommen. Seit Donnerstag liegt jetzt ein Vorschlag auf dem Tisch, dem nun alle zuständigen Gremien zustimmen müssen. Die Arbeitnehmerseite hat dies bereits getan. Demnach erhalten die rund 2500 Wüstenrot-Innendienstmitarbeiter eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2014. Für die drei Standorte Ludwigsburg (gut 2000 Beschäftigte), Bad Vilbel und München wurde eine Bestandsgarantie bis Ende 2017 ausverhandelt. Im Gegenzug haben die Betriebsräte einer stärkeren Arbeitszeitflexibilisierung zugestimmt. Nun können statt bisher 30 sogar 90 Überstunden auf eine Konto angesammelt werden. "Wir haben für die Mitarbeiter eine gute Lösung hinbekommen", sagte Christoph Seeger, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Wüstenrot. "Damit haben wir auch für die Branche Maßstäbe gesetzt." Dessen ungeachtet fordert Verdi weiter einen Beschäftigungs- und Standortsicherungsvertrag für die gesamte W&W AG.

Der Trend zu Kreditfabriken, in denen die Aufgaben in kleine Arbeitsschritte zerlegt werden und die Beschäftigten entweder nach Haustarif oder ohne Tarif bezahlt werden, hält an. So will die Postbank-Tochter BHW am Stammsitz in Hameln eine Kreditfabrik gründen, in die 1200 von 1600 Vollzeitstellen verlagert werden sollen. Das Unternehmen will laut Verdi die Gehälter um 15 Prozent kürzen. Die Postbank hat für die BHWler Kündigungen bis Ende 2014 ausgeschlossen.

Der Finanzdienstleister meidet die wackeligen Eurostaaten

Staatsanleihen Der Versicherungs- und Altersvorsorgekonzern Wüstenrot & Württembergische (W&W) will kein Geld mehr in den schuldengeplagten Euroländern anlegen. Seit Januar sei das Portfolio von Staatsanleihen Portugals, Italiens, Irlands, Griechenlands und Spaniens (PIIGS) gemessen an den Buchwerten von 1,44 Milliarden Euro um rund 665 Millionen auf 780 Millionen Euro gesunken, teilte das Unternehmen mit. Allein das Griechenland-Engagement sei um 270 Millionen auf 84 Millionen Euro reduziert worden. Abschreibungen von 116,3 Millionen Euro auf Griechenlandpapiere belasten das Ergebnis.

Ziele Per Ende September hat W&W 139 Millionen Euro verdient, fünf Millionen weniger als im Vorjahr. Im Gesamtjahr sollen es unverändert 180 Millionen Euro werden. Auch wegen der eingetrübten Aussichten will der Konzern mehr sparen. Dabei gebe es keine Tabuthemen mehr, erklärte der Vorstandsvorsitzende Alexander Erdland jüngst intern. Auf einen Stellenabbau soll aber verzichtet werden. StZ