Genossenschaften haben einen guten Ruf. Das machen sich schwarze Schafe zu Nutze. Verbraucherschützer bemängeln Lücken im Gesetz. Der Kampf vor Gericht ist mühsam.

München - Wohnungsbaugenossenschaften erfreuen sich in Zeiten oft kaum bezahlbaren Wohnraums großer Beliebtheit. Sie haben einen traditionell guten Ruf, auch weil sie statistisch gesehen seltener pleite gehen als Unternehmen in anderen Gesellschaftsformen. Bundesweit gibt es mehr als 1800 Wohnungsbaugenossenschaften. Eine Minderheit agiert unseriös. „Uns liegen Beschwerden zu über 30 Genossenschaften vor“, sagt Wolf Brandes von der hessischen Verbraucherzentrale. Er ist Teil des dortigen Marktwächterteams, das sich dem mühseligen Kampf gegen den dubiosen Teil einer an sich lobenswerten Branche verschrieben hat. Aber Beschwerden über hohe Kosten, fragwürdige Vertriebsstrategien oder Probleme mit Kündigungen häufen sich. „Es trifft vor allem Anleger, die ohnehin nicht viel Geld haben“, bedauert Brandes.

 

Verbraucherschützer haben erfolgreich geklagt

Jüngstes Beispiel ist die nordbayerische Wohnbaugenossenschaft Nova Sedes, gegen die Verbraucherschützer jetzt vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth in erster Instanz erfolgreich waren. Die Gesellschaft habe Kündigungsfristen ignoriert und ein in der Branche zwar übliches Eintrittsgeld kassiert, liefere aber erst eineinhalb Jahre später Genossenschaftsanteile, erklärt Brandes. „Dadurch zahlten Verbraucher monatelang in die Genossenschaft ein, ohne Anteile zu erwerben und Rendite zu erwirtschaften“, erklärt er. Letzteres stellt Nova Sedes nicht in Abrede, findet das aber nicht rechtswidrig. Man habe deshalb Berufung gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil eingelegt und messe der Klage der Verbraucherschützer einen grundsätzlichen Klärungsbedarf zu. Das wolle man nun stellvertretend für die Branche notfalls bis zum Bundesgerichtshof ausfechten. Nur im Punkt Kündigungsfristen akzeptiere man das Urteil. Die können bei Baugenossenschaften schon legal mit zwei bis fünf Jahren sehr lang sein, was für Verbraucher vor allem dann zum Problem wird, wenn ein Sparplan mit Einzahlungspflichten dazukommt.

Als reine Kapitalanlage ungeeignet

Als reine Kapitalanlagen eignen sich Genossenschaftsanteile ohnehin nicht und sie seien auch nichts für kurzfristige Engagements, sagen Verbraucherschützer. Auch die Stiftung Warentest hat die Branche im Fokus. Immer öfter würden Abzocker das gute Genossenschaftsimage nutzen, was durch Lücken im Genossenschaftsgesetz befördert werde, kritisiert Finanztesterin Ariane Lauenburg. Nicht nur Verbraucherschützer werden aktiv. In München ermitteln Staatsanwälte seit Jahren gegen zehn Beschuldigte wegen gewerbsmäßigem Betrug im Zusammenhang mit der Genossenschaft Grundwerte. Der Fall stehe kurz vor dem Abschluss, sagt eine Justizsprecherin. Schon ein Urteil gefällt ist im Fall der Wohnungsgenossenschaft Eventus vom Landgericht Stuttgart. Der Eventus-Gründer wurde jüngst wegen Betrug zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

Vieles in den dunklen Ecken der Branche spiele sich in Grauzonen ab, sagt Brandes. Es werde aufgeschwätzt und übertölpelt. Berater nähmen Unterlagen nach Verkaufsgesprächen wieder mit. Das macht es schwer, etwas zu beweisen. Angehen sollten die Alarmglocken, wenn Genossenschaften hohe Renditen mit vermögenswirksamen Leistungen zusagen, Mitbestimmungsrechte nur eingeschränkt oder gar nicht gewähren, Förderzwecke in der Satzung schwammig beschrieben werden oder statt in Wohnraum in Hotels und Einkaufszentren investieren, meint Stiftung Warentest.

Ausnahmeregelungen bergen Gefahren

Ein Einfallstor für Unseriöse sind auch die Ausnahmeregelungen für Genossenschaften. So sind sie von der sonst bei Kapitalanlagen üblichen Prospektpflicht befreit, einem Dokument, das unter anderem über Risiken aufklären muss. Geprüft werden sie in der Regel nicht von der deutschen Finanzaufsicht BaFin, sondern eigenen Prüfgesellschaften. Einige wenige von ihnen würden nicht immer genau hinsehen, kritisieren Stiftung Warentest und Brandes. Dort würden sich auch bevorzugt die schwarzen Schafe der Branche prüfen lassen.

Im Fall von Eventus hat das Gericht auch den zuständigen Prüfverband scharf kritisiert. Nicht jeder kenne die Risiken, die ein Kauf von Genossenschaftsanteilen mit sich bringt, sagt Brandes. „Verbraucher sollten wissen, dass sie ihr Geld in eine unternehmerische Beteiligung investieren mit allen Risiken bis hin zu Totalverlust“, warnt er. Ratsam sei vor einem Beitritt ein Blick in die Satzung. Dort ist unter anderem festgelegt, ob Miteigner im Krisenfall eine finanzielle Nachschusspflicht haben oder nicht.

Die Politik ist alarmiert

Ärger mit Wohnungsbaugenossenschaften hat mittlerweile auch Politiker alarmiert. So hat das Bundesland Brandenburg 2018 einen Gesetzesentwurf eingebracht. Der soll für Genossenschaften zuständige Prüfverbände zwingen, über Missstände zu informieren und damit auf Probleme aufmerksam zu machen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Über den Gesetzesentwurf ist noch nicht entschieden.