Die Stadträte haben den Beschluss über die künftige Bauland-Strategie in Ludwigsburg verschoben, aber der Streit nimmt an Schärfe zu. Der OB sieht keinen Grund, den Kurs zu ändern. Die Bauträger kündigen an, die Pläne mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Der Streit um die Bauland-Offensive in Ludwigsburg nimmt an Schärfe zu. Unverhohlen haben die großen Bauträger der Stadt am Freitag in einer eigens einberufenen Pressekonferenz gedroht, die Pläne des Rathauses notfalls juristisch anzugreifen. „Wir sind in heller Aufregung und werden diesen Vorstoß mit allen, ich betone: allen, Mitteln bekämpfen“, sagt Jürgen Pflugfelder, der Chef der gleichnamigen Immobiliengesellschaft. Die Unternehmer befürchten, dass die Stadt mit einer neuen Vorkaufssatzung die eigene Wohnungsbau-Gesellschaft WBL zu einem Monopolisten aufbaut und alle verfügbaren Grundstücke auf dem Markt abgrast – zu Lasten der privaten Bauwirtschaft, die in der Existenz gefährdet werde.

 

Stadt und die WBL weisen dies zurück, aber auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Ludwigsburg protestiert jetzt gegen die Vorgehensweise der Verwaltung. Er sei geschockt, dass solch ein elementares Vorhaben in so kurzer Zeit durchgepeitscht werden sollte, sagt der IHK-Chef Jochen Haller. Jürgen Pflugfelder spricht gar von einem klaren Affront.

Die Stadt will mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen

Allerdings ist der Beschlussvorschlag seit Donnerstagabend erst einmal vom Tisch. Nach dem massiven Protest hat der Bauausschuss hinter verschlossenen Türen entschieden, dass mehr Zeit zur Beratung nötig sei – weshalb der Gemeinderat nicht wie vorgesehen am Mittwoch, sondern in einer späteren Sitzung über die Pläne abstimmen wird. Der Oberbürgermeister Werner Spec betont indes, dass er keinen Grund sehe, die grundsätzliche Strategie infrage zu stellen.

Am Freitag reagierte Spec auf ein kritisches Schreiben der Bauträger – mit einem offenen Brief. Ludwigsburg müsse verhindern, dass die Grundstückspreise weiter überhitzen und sich nur noch ein kleinerer Teil der Gesellschaft Wohneigentum leisten könne, heißt es darin. Dazu sei eine umsichtige Grundstückspolitik und eine aktive Rolle der Kommune vonnöten. Die große Mehrheit des Gemeinderats trage diese Linie mit.

Die Bauträger fürchten um ihr Geschäft

Schon im Jahr 2007 hat das Gremium beschlossen, dass neue Baugebiete mit einer Größe von mehr als 3000 Quadratmetern erst dann ausgewiesen werden, wenn die Stadt in den Besitz aller Grundstücke gelangt ist. Diese Regelung soll nun um eine Vorkaufssatzung ergänzt werden, die besagt, dass alle Eigentümer in potenziellen Baugebieten ihre Flächen nur an die Stadt, nicht an Bauträger verkaufen dürfen. Das Rathaus werde somit allein die Preise diktieren können, warnt der Immobilienunternehmer Karl Strenger. „Darunter werden alle Grundstücksverkäufer leiden.“

Die Stadt will so ihre Planungshoheit und die WBL stärken, die mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen soll. Bislang sei der Anteil der an die städtische Tochter verkauften Grundstücke „verschwindend gering“, sagt Spec. Dies werde sich ändern, aber von einem Monopol könne keine Rede sein. „Der deutlich größte Teil der Grundstücke soll auch künftig privaten Bauträgern zur Verfügung gestellt werden“, versichert der OB, der sich in dem Brief an die Bauträger die süffisante Anmerkung nicht verkneift, dass diese bei der derzeitigen Entwicklung auf dem Immobiliensektor „am wenigsten zur Gruppe existenzgefährdeter Betriebe zu zählen“ seien.

Das bislang gute Verhältnis zwischen dem OB und den Firmen – es scheint angeknackst. „Ich lasse mich von Herrn Spec in dieser Sache nicht vertrösten mit der Zusage, die Privaten würden bei der Vergabe von Grundstücke auch irgendwie berücksichtigt“, wettert Strenger. Man sei bereit zu einem Dialog. „Aber dass die Stadt sich alle Grundstücke sichert und für uns nichts übrig bleibt, werden wir nie akzeptieren.“

Strenger ist auch stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Freier Immobilienunternehmen. Dieser habe, sagt er, schon angekündigt, sich einer eventuellen Klage anzuschließen. Auch in anderen Städten sei der Trend erkennbar, dass städtische Gesellschaften im Bauträger-Geschäft mitmischen, aber Ludwigsburg presche offenbar besonders weit vor.

Die Privatunternehmer kämpfen gegen die städtische Tochter

Andere Immobilienfirmen, darunter Betz, Oswa, Schlössle, Schöner Wohnen und Wohnbau Reisser, haben sich dem Protest angeschlossen – vereint im Abwehrkampf gegen die WBL, was deren Chef Andreas Veit für maßlos überzogen hält. „Hier wird eine Drohkulisse aufgebaut, die nichts mit der Realität zu tun hat“, sagt Veit. Die WBL werde auch künftig lediglich „ab und zu ein Bauträger-Projekt realisieren“, um mit dem Erlös aus dem Verkauf von Eigentumswohnungen soziale Projekte und günstige Mieten finanzieren zu können. „Von den Gewinnen kauft bei uns niemand einen Porsche, das fließt alles in unseren Wohnungsbestand.“

Nach eigenen Angaben hat die Gesellschaft in den vergangenen drei Jahren lediglich zwei Bauträger-Vorhaben mit insgesamt 21 Eigentumswohnungen verwirklicht. Generell habe die WBL, so Veit, in der Vergangenheit viel zu wenige Mietwohnungen gebaut, weil stets Privatunternehmen bei der Grundstücksvergabe bevorzugt worden seien. „Die riesige Angst der Bauträger, weil wir nun ein paar Krümel mehr vom Kuchen abbekommen sollen, ist nicht nachvollziehbar.“ Einer Klage sehe er gelassen entgegen. Die Stadt habe sich vom Regierungspräsidium bestätigen lassen, was die WBL darf und was nicht. „Wir haben uns das schon sehr genau überlegt.“