Der Ingenieur Lothar Wessolly untersucht Bäume in der Stadt mit ungewöhnlichen Methoden.

Leonberg - Es sind ungewöhnliche Dinge, die sich am Dienstagmorgen um 9 Uhr auf dem Kirchplatz vor St. Michael in Eltingen abspielen. In der Winterlinde sitzt an Seilen gesichert der Baumkletterer Sascha Eichinger mit einem Sturzhelm. Um einen Ast ist eine große Polyesterschlaufe befestigt, von dort aus führt ein Stahlseil zu Boden. Dort steht Eichingers Kollege Christian Wiech und spannt die Seilwinde. Im Stamm der Linde stecken mehrere Messinstrumente, die die Dehnung der Rauhfaser messen. „Mit diesem Verfahren simulieren wir gerade einen Sturm der Windstärke zehn und prüfen, ob der Baum diesem standhalten würde“, erklärt Lothar Wessolly.

 

13 000 Bäume werden in Leonberg überwacht

Der promovierte Luft- und Raumfahrtingenieur hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen als Baumstatiker gemacht. „Baumflüsterer“ oder „Dr. Baum“ sind zwei Titel, die häufig über ihn zu lesen sind. Gefallen findet er daran nicht. „Es passt nicht zu einem Ingenieur“, findet er. Seit den 90er Jahren ist er in ganz Deutschland und in Europa unterwegs, um für hoffnungslos scheinende Fälle eine Lösung zu finden. „Nicht jeder Baum, der einen Schaden hat, muss deswegen automatisch gefällt werden“, sagt er.

Am Dienstag und Mittwoch ist er in Leonberg. Die Winterlinde auf dem Kirchplatz in Eltingen begutachtet er, weil sie sich gefährlich in Richtung Kirchbachstraße neigt. Holger Pullwitt vom Tiefbauamt der Stadt, der zusammen mit seinem Kollegen Johannes Soiné für die Standsicherheit der rund 13 000 Bäume in Leonberg verantwortlich ist, hatte zunächst die Idee, den Baum an der ihn umgebenden Kirchhofmauer abzustützen. „Das war aber nicht möglich, weil die Mauer diese Abstützmaßnahme nicht aushalten würde“, erklärt Pullwitt. Da die Stadt aber wegen der sogenannten Verkehrssicherungspflicht dafür sorgen muss, dass der Baum nicht auf Menschen fällt oder Autos beschädigt, muss nun Lothar Wessolly ran.