Ohne schweres Gerät geht gar nichts. Seit drei Wochen fällt eine Spezialfirma aus dem Allgäu am Boßler Bäume – auf einer insgesamt 22 Hektar großen Fläche oberhalb der Autobahn 8 bei Gruibingen.

Gruibingen - Mit einem Ruck spannt sich das Seil des Seilkrans an. Geschafft. Der mächtige Baum, der eben noch am Steilhang des Boßler wurzelte, flutscht wie von Geisterhand gezogen bergan. Ein Bagger nimmt den Koloss in Empfang und zieht ihn mit lautem Krachen über die Hangkante. Ein paar Meter weiter unten saust der Verkehr auf der A 8 vorbei.

 

Wenige Minuten später setzt ein Forstarbeiter in dem unwegsamen Gelände wieder die Motorsäge an, die nächste Buche ist fällig. Auch sie ist mit einem Seil gesichert. Ein zweiter Forstarbeiter gibt dem Mann oben im Seilkran per Funk Bescheid, wann er anziehen muss. So geht das schon seit drei Wochen, und der Bad Boller Förster Martin Gerspacher schätzt, dass die Durchforstung der insgesamt 22 Hektar Steillagen am Boßler nun in etwa Halbzeit hat.

Hängematten sichern die Autobahn

Mehr als ein halbes Jahr hat der Förster diese spektakuläre Baumfällaktion vorbereitet. Auch für ihn ist das kein Alltagsgeschäft. „Wir haben hier alles vorgefunden, was es an Schwierigkeiten gibt“, sagt er. Private Wald- und Wiesenbesitzer mussten informiert werden, doch das war noch die kleinste Übung. Ganze 12 000 Euro hat der Forst in die Sicherung der Autobahn 8 und der parallel verlaufenden Landesstraße von Weilheim nach Gruibingen gesteckt, die zurzeit an den Werktagen von 7.30 bis 17 Uhr gesperrt ist. Sogenannte Schwarzwälder Hängematten, große Fangnetze, schirmen die Autobahn zusätzlich ab für den Fall, dass sich doch einer der Baumriesen selbstständig macht und ungebremst hangabwärts saust. In den vergangenen drei Wochen ist das tatsächlich vier Mal passiert.

Rücksicht zu nehmen gilt es außerdem auf ein Naturschutzgebiet, das sich direkt an den Polter anschließt, und außerdem auf eine Stromleitung des Behördendigitalfunks. Obwohl der Strom abgeschaltet ist – ein Notstromaggregat versorgt den Polizeifunk während der Forstarbeiten – natürlich dürfen die Kabel nicht beschädigt werden. Ein Kunststück, denn der Seilkran und der Bagger, der die Stämme gleich von Rinde und Ästen befreit, arbeiten gefährlich nah an den Drähten.

Durchforstung ohne Beispiel

„Eine Durchforstung in diesem Ausmaß haben wir hier noch nie gemacht“, sagt Gerspacher. Anlass sei die Verkehrssicherung gewesen. 2500 Festmeter Holz holen die Arbeiter einer Allgäuer Spezialfirma in Gerspachers Auftrag aus den Steillagen am Boßler. „Dann haben wir aber auch die nächsten 15 bis 20 Jahre Ruhe“, hofft der Förster. Nur weil die Holzpreise angezogen haben, kann sich der Staat als Waldbesitzer diese Maßnahme leisten. Denn der Einsatz des schweren Geräts – am Boßler sind zwei Seilkräne und zwei Bagger zugange – ist teuer. Gerspacher beziffert die Kosten auf 90 000 Euro. Der Erlös betrage 150 000 Euro. „Vor ein paar Jahren haben wir für einen Festmeter Brennholz 30 Euro bekommen, heute ist es das Doppelte“, sagt Gerspacher. Noch besser sind die Preise für das sogenannte Wertholz. Am Rand des Naturschutzgebiets warten bereits sechs bis zehn Meter lange Buchenstämme auf den Abtransport. Die Bäume sind 100 bis 120 Jahre alt. Ein Teil davon ist für Japan bestimmt. In Fernost wird das Holz zu Fußbodenbelägen verarbeitet.

Ohne die moderne Seilkrantechnik wären Fällarbeiten in diesem Umfang kaum möglich. „Vor 20 Jahren noch ließ man die Bäume einfach schießen“, erzählt Gerspacher. Im Klartext: man fällte die Bäume und ließ sie einfach talwärts sausen – ein riskantes Unternehmen, weil die Kolosse im Fallen ein ziemliches Eigenleben entwickeln und alles mitreißen, was nicht niet- und nagelfest ist. Entsprechend groß sei auch der Flurschaden gewesen.

Frost hilft den Arbeitern

Die Firma aus dem Allgäu ist auf schwierige Fälle spezialisiert. Die Forstarbeiter, die im Hang arbeiten, wissen genau, wie sie das Seil befestigen müssen, damit der Stamm in einem günstigen Winkel fällt und möglichst wenig Schaden anrichtet. Gerspacher hofft, dass es in den nächsten Tagen kalt bleibt. Frost sei für den Holzeinschlag ideal. Seine täglichen Inspektionsfahrten auf den Boßler dagegen sind auf dem eisglatten Feldweg oft ein Abenteuer. Und wenn im Vorwärtsgang nichts mehr geht, dann fährt Gerspacher den ganzen Weg einfach im Rückwärtsgang hoch.