Baumfällarbeiten im Schlossgarten Schon früher musste die grüne Lunge Stuttgarts leiden

Baumfällungen 2012 im Schlossgarten für den Bau des Tiefbahnhofs. Foto: PPfotodesign/Leif Piechowski

Schon vor 110 Jahren beklagten Zeitgenossen tiefe Einschnitte im Schlossgarten. Bereits damals mussten im Schlossgarten Bäume für die Eisenbahn weichen.

Stuttgart - Wie sich die Bilder gleichen: Vor 110 Jahren wurden im Schlossgarten schon einmal Bäume für ein Eisenbahnprojekt gefällt. Unter dem Foto, das im „Schwäbischen Bilderblatt“, einer illustrierten Beilage zum liberalen „Stuttgarter Neuen Tagblatt“, am 2. Februar 1912 erschien, war folgende Bildunterschrift zu lesen: „Die Zerstörung der Königlichen Anlagen beim Rosensteintunnel in Stuttgart infolge der Bahnerweiterung; ein Anblick, der jedem Naturfreund weh tun muß.“ Seiner Klage gegen die Naturzerstörung fügt der Schreiber erklärend hinzu: „Die Erstellung eines zweiten Tunnels durch den Rosenstein für den viergleisigen Ausbau der Bahn nach Eßlingen–Ulm macht dies nötig.“

 

Chronist kritisiert „grausames Spiel“

Von handfesten Demonstration der Stuttgarter Bevölkerung gegen die Baumfällarbeiten oder das Bahnprojekt selbst berichtet der Beitrag nichts. Derartiges war im Königreich Württemberg wohl auch nicht denkbar, jedenfalls noch nicht. Begeisterungsstürme haben die Fällarbeiten im Schlossgarten, glaubt man dem „Bilderblatt“, aber auch damals nicht ausgelöst. Weiter heißt es in dem 110 Jahre alten Zeitungsartikel: „Wie das nebenstehende Bild zeigt, erfordert die ständige Zunahme des Verkehrs auf der Eisenbahn – als Folge des Aufblühens Stuttgarts zur modernen Großstadt – und die nun im besten Gang befindliche Erweiterung und Vergrößerung der schon seit geraumer Zeit nicht mehr zulänglichen Betriebsanlagen auch erhebliche Opfer an landschaftlichen Schönheiten. Die Königlichen Anlagen, einst die Lunge Stuttgarts im besten Sinne und unstreitig eine seiner besonderen Schönheiten, sind nachgerade durch mannigfache Eingriffe auf ein Minimum zusammengeschmolzen, das nicht nur Einheimische, sondern auch Fremde, die nach jahrelanger Abwesenheit wiederkommen, aufs tiefste bedauern. Hoffentlich ist es nun aber nach Vollendung der Bahnbauten einmal genug des grausamen Spiels.“

Wie sah der Alltag früher in Stuttgart aus?

Im Zusammenhang mit dem umfangreichen Bahnprojekt Anfang des 20. Jahrhundert wird wenig später der Bonatz-Bau als neuer Stuttgarter Hauptbahnhof entstehen. Der Stuttgarter Historiker Ulrich Gohl hat diese und andere sehenswerte Funde alter Fotografien aus dem „Schwäbischen Bilderblatt“ kürzlich in einem Buch unter dem Titel „Stuttgarter Alltagsleben im frühen 20. Jahrhundert“ veröffentlicht.

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