Sie rücken an, wenn Bäume gestutzt werden müssen: die Baumkletterer. Es ist ein Beruf, bei dem sich viele Interessen vereinen lassen. Wir waren bei einem Einsatz in Stuttgart-Degerloch dabei.

Degerloch - Irgendwo in einem Garten eines Mehrfamilienhauses in Stuttgart-Degerloch, 9 Uhr morgens: Emil Bay von der Garten- und Landschaftsbaufirma Blattwerk Gartengestaltung GmbH seilt sich gerade von einem sechs Meter hohen Rotdorn ab, den er an diesem Vormittag von Efeu befreit. Das sich schnell verbreitende Araliengewächs hat sich eng um den Baumstamm geschlungen und verhindert, dass Sonnenlicht ihn versorgt.

 

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An jenem Morgen ist es zwar beißend kalt und nebelig, aber in den Höhen der Baumkronen fühlt sich Emil Bay sichtlich wohl. Nach seiner dreijährigen Ausbildung zum Landschaftsgärtner studierte er soziale Arbeit, arbeitete auch geraume Zeit in dem Beruf, bis ihn die Natur wieder rief. „Für mich ist das der beste Arbeitsplatz der Welt“, sagt er voller Überzeugung. „Wenn das Wetter stimmt und die Sicht klar ist, hat man von hier oben einen atemberaubenden Ausblick.“ Zudem sei die körperliche und handwerkliche Arbeit entscheidend für den Berufswechsel gewesen. „Ich liebe die Gerüche im Garten und das Gefühl, am Ende des Tages etwas mit den Händen gemacht zu haben.“

Technik verfeinern beim privaten Bouldern und Klettern

Zusammen mit seinem Kollegen Marian Schelling hat er vor ein paar Jahren die Zusatzqualifikation zum Kletterer und zum Fachagrarwirt für Baumpflege gemacht. Den höchsten Baum, den er jemals bestiegen und versorgt hat, sei 40 Meter groß gewesen und erlaubte ihm eine kilometerweite Sicht in alle Himmelsrichtungen. Beim freizeitlichen Bouldern und Sportklettern verfeinert er seine Fertigkeiten, aber ganz schwindelfrei sei er mit all seiner Berufserfahrung immer noch nicht. „Es gibt schon noch manchmal Momente, in denen es mir mulmig wird.“ Und das sei auch gut so, denn man müsse eben vor jedem Aufstieg Respekt haben und dürfe es nicht zulassen, dass sich irgendwann Routine einschleicht. Sonst könnten schneller Unfälle passieren und in diesen schwindelerregenden Höhen eventuell auch lebensgefährlich sein.

Weiter hinten auf den Grünanlagen des Auftraggebers hängen drei weitere Kletter-Kollegen zwischen den Ästen einer acht Meter hohen Eibe. Dieser Patient braucht einen Rückschnitt der Äste, da bei Baumaßnahmen im Garten die Wurzeln des Baumes beschädigt wurden und diese somit abgestorben sind. „Damit stellen wir wieder ein Gleichgewicht zwischen Ästen und Wurzeln her“, klärt Emil Bay auf. Denn die Faustregel besagt, dass in allen Bereiche, die von der Baumkrone überragt werden, im Boden auch mit Wurzeln zu rechnen ist. Diese sind wichtig für die Standsicherheit und Nährstoffversorgung.

Natur und Arten zusätzlich schützen

Was ebenso wichtig ist, befindet sich unmittelbar unter der Eibe: Schnittgut. Das wird nicht immer vollständig entsorgt, sondern gesammelt. Ein Teil der Äste und Blätter bleibt meistens beim Kunden vor Ort an einem gesonderten Platz, als Lebensraum für Igel oder Insekten. Somit kann ganz nebenbei zum Natur- und Artenschutz beigetragen werden. Für die Firma Blattwerk ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. „Wir beraten unsere Kunden beispielsweise auch, wenn sie bauen möchten, auf dem Grundstück ein Baum steht, und dieser erhalten werden soll“, sagt Thomas Weckerle.

Der Fachagrarwirt, Kundenberater und Leiter der Baumpflege rät meist, sich von einem Experten oder Expertin beraten zu lassen. „Steht beispielsweise ein Baum auf dem Grundstück nah an der Straße oder einem Gehweg, muss ich dafür Sorge tragen, dass von dem Baum keine Gefahr ausgeht“, erklärt Thomas Weckerle. Nicht selten würden herunterfallende Äste Fahrzeuge beschädigen oder Passanten verletzten. Unter Umständen könnte man für entstandenen Schaden belangt werden, mahnt er.

Nicht selbst in die Bäume klettern

Sich selbst in die Baumwipfeln schwingen und Schnittarbeit leisten, davon rät er dringend ab. „Überlassen sie das bitte wirklich nur geschultem, qualifiziertem und gut ausgerüstetem Personal“, so Thomas Weckerle. Experten würden auch wissen, wann Bäume zu welcher Jahreszeit zurückgeschnitten werden müssen. Darüber hinaus müsse man jeden Baum erst einmal individuell betrachten, bevor man das entscheiden könnte. „Es ist schwierig, einen generellen Zeitpunkt für Schnittarbeiten festzulegen. Was hilft, ist Erfahrung und Fachwissen, das man sich im Laufe der Jahre aneignet.“ Für Hobby-Gärtner hat der Experte noch einen Rat: „Vor allem ältere Obstbäume jetzt noch im Winter stutzen, da man sie so zu einem stärkeren Nachtrieb beziehungsweise Neuaustrieb verleiten kann.“