Eine Baugenossenschaft aus Kornwestheim will in Gerlingen ein Haus von 1951 ersetzen. Stadträten ist das Vorhaben zu umfangreich.

Gerlingen - Innenverdichtung vor Außenbesiedelung“ ist das Motto für die Gerlinger Stadtentwicklung. Doch wenn ein Grundstückseigentümer dann neu bauen und dabei verdichten will, werden häufig Bedenken laut – meistens von Nachbarn, gelegentlich von Genehmigungsgremien. So auch jüngst wieder im Technischen Ausschuss des Gemeinderats (TA) zu einem Vorhaben in der Weilimdorfer Straße. Dort sollen zwei Gebäude mit zwölf kleinen Wohnungen ersetzt werden. Aus den 560 Quadratmetern sollen auf dem Grundstück 880 Quadratmeter werden. Angesichts der Häuser in der Umgebung stellte der Ausschuss am Montag den Beschluss zurück; die Verwaltung soll mit dem Bauherren über eine Reduzierung reden.

 

Am Tag danach hat René Rhein noch nichts aus dem Gerlinger Rathaus gehört – und er stöhnt. „Wir wollen bewusst auf unseren eigenen Grundstücken mehr Wohnfläche generieren und werden immer wieder von Gemeinderäten gebremst“, sagte der Technische Vorstand der Bezirks-Baugenossenschaft Alt-Württemberg aus Kornwestheim unserer Redaktion. Ganz ähnlich sei es erst vor Kurzem in einer anderen Kommune im Landkreis gelaufen.

Neue Wohnungen für alle Mieter gefunden

Das 65 Jahre alte Doppelhaus an der Weilimdorfer Straße sei nicht das einzige Objekt der Genossenschaft in Gerlingen. Bereits im Januar habe man die zwölf Mieter der 45-Quadratmeter-Wohnungen informiert und für alle neue Wohnungen gefunden. „Wir kündigen niemanden raus, unser Modell ist lebenslanges Wohnrecht.“

Das neue Haus soll elf Wohnungen aufnehmen, von 60 bis 99 Quadratmetern. Man habe großzügig geplant, mit Aufzug und Tiefgarage. Bisher gab es keine Parkplätze auf dem Grundstück, war im Ausschuss zu hören. Die Genossenschaft wolle „bezahlbaren Wohnraum nach dem mittleren Mietpreisspiegel“, so Rhein. Die Wohnungen würden zuerst den Mitgliedern angeboten. Wenn danach noch Wohnungen frei seien, gehe man an den freien Markt.

Geplant ist ein Flachdachgebäude mit drei Vollgeschossen und zurückgesetztem Dachgeschoss. Die Baugrenze an der der Weilimdorfer Straße abgewandten Längsseite werde um 2,50 Meter überschritten, trug Martin Prager vom Gerlinger Baurechtsamt im Ausschuss weiter vor. Es gebe Einwendungen von Nachbarn. Das Gebäude werde „größer und massiver“ als das bisherige, so der Amtsleiter. Nach der reinen Lehre müsste man eigentlich den Bebauungsplan aufheben oder ändern.

Den Nachbarn im Westen, also den Bewohnern der Reihenhäuser, werde „eine deutlich andere Dimension vor die Nase gesetzt“, sagte Prager. Für die Nachbarn im Süden gebe es „keine erdrückende Wirkung“. „Es ist ein sehr dominantes Gebäude und eine deutliche Verdichtung, aber durchaus vertretbar“. Der massive Eindruck ergibt sich nach den Plänen auch dadurch, dass das geplante Flachdachgebäude mit der Dachkante die Firsthöhe der umgebenden Häuser mit Satteldach erreicht. Die Nachbarn hätten bei ihren Bauten die im Plan erlaubte Dreigeschossigkeit nicht ausgenutzt, so Prager.

Für Verkleinerung votiert

Etliche Stadträte sprachen sich dafür aus, das Gebäude zu verkleinern. Das könne dadurch geschehen, dass man das Hochparterre – es wurde angelegt, um die Zufahrt zur Tiefgarage nicht zu steil werden zu lassen –, wieder absenke und damit die Gebäudehöhe reduziere.

Auch solle die „Auslastung“ des Grundstücks, also das Verhältnis von Wohnfläche zu Grundstücksfläche, von einem überhöhten auf den üblichen Wert reduziert werden – das bedeutet weniger Wohnfläche. Die Stadträte beauftragten das Gerlinger Baurechtsamt, mit dem Bauherrn bis zur September-Sitzung eine einvernehmliche Lösung zu finden. „Wir werden zusammen mit unserem Architekten mit der Stadtverwaltung reden und versuchen, dem Rechnung zu tragen“, sagte René Rhein unserer Redaktion.

Dasselbe Problem einer verdichteten Bebauung zeichnet sich auch noch an anderer Stelle in Gerlingen ab: Der Verwaltung liegt eine Bauvoranfrage für ein Grundstück an der Ecke Laichlestraße/Buchenweg im Stadtteil Gehenbühl vor. Auch dort sollen elf Wohnungen entstehen. Auch dort geht es um Befreiungen von bestehenden Vorschriften, um Flachdach oder Satteldach, um die Zahl der geplanten Geschosse, um die Gebäudehöhe; es gilt ein Bebauungsplan aus den fünfziger Jahren.

Dazu kommt ein Konflikt zwischen den Stadtplanern und dem Baurechtsamt, in dem vor allem die Ziele des Bauens heute, der alte gültige Bebauungsplan und die durch das Vorhaben beginnende Veränderung in diesem Gebiet eine Rolle spielen. Christian Haag (CDU) meinte dazu, dies sei „alles ein bisschen unglücklich“. Am besten sei die Zusammenarbeit der Ämter.

Alles solle „wasserdicht und rechtssicher“ sein, meinte Martin Nufer (Freie Wähler). Letztlich gab die Sitzungsleiterin, die Erste Beigeordnete Martina Koch-Haßdenteufel, als Maßgabe eine „Aufgabe für die Sommerpause“ aus: „Das Stadtbauamt und das Baurechtsamt setzen sich zusammen.“ Wiederbehandlung im September, steht nun auf der Agenda.