Um genügend Wohnraum zu schaffen, fehlen den Kommunen in der Region große Flächen. Die Eigentümer wollen oft nicht verkaufen. Bauprojekte können zumeist nur auf kleineren Arealen in den Ortskernen umgesetzt werden.

Baupolitik - Die ganze Tragweite des Problems kam kürzlich in einer Anzeige im Herrenberger Amtsblatt zum Ausdruck. Händeringend suchen die Stadtplaner nach Äckern und Wiesen. „Wir appellieren an alle Grundstückseigentümer, uns Flächen zur Verfügung zu stellen. Sonst können wir unseren Auftrag zur Weiterentwicklung der Stadt nicht erfüllen“, ließ der Bauamtsleiter Rainer Stingel verlauten. Seit einigen Monaten schon macht die Verwaltung darauf aufmerksam, dass sie Wohnungsbaupläne und Projekte für die Gewerbeansiedlung umsetzen möchte und nicht wirklich vorankommt. Wie den Herrenbergern ergeht es mehr oder minder den Städteplanern in der gesamten Region.

 

Nachfrage kann nicht befriedigt werden

„Wir erleben zwar einen Wirtschaftsboom, doch können wir auf dem Bausektor die Nachfrage nicht befriedigen“, sagt Wilfried Wallbrecht, der Erste Bürgermeister der Stadt Esslingen. Die Situation sei verheerend, am Wohnungsmangel werde sich kaum etwas ändern. Man werde aber einen erneuten Anlauf für einen Wohnungsbauplan unternehmen. Dieser sehe elf Gebiete mit einer Größe von je einem bis drei Hektar vor. Der große Wurf sei das aber nicht.

Dieser soll in Esslingen eines Tages mit einem zwölfstöckigen Hochhaus gelingen, dem „Crystal Rock“. Einen Entwurf hat das Rotterdamer Architektenbüro MVRDV einem Investor aus Saarbrücken unterbreitet. Das Gebäude soll in der Neuen Weststadt errichtet werden. Doch steht der Zeitpunkt für den Baubeginn und die Fertigstellung in den Sternen. „Das ist ein ganz dickes Brett, was wir da bohren“, sagt Wilfried Wallbrecht.

Es werden kleinere Brötchen gebacken

Erst recht Zukunftsmusik ist ein neues Wohnquartier auf der Esslinger Flandernhöhe. Wenn die dort ansässige Hochschule in einigen Jahren ihren Standort verlässt, um in die Neue Weststadt zu ziehen, könnte das gesamte Areal neu geplant werden. Bis es aber so weit ist, werden kleinere Brötchen gebacken. Wallbrecht will aus der Not eine Tugend machen und „,massiv auf die Innenentwicklung setzen“.

Das tut notgedrungen auch Thomas Hugger, der Fachbereichsleiter Liegenschaften in der Ludwigsburger Stadtverwaltung. Von einer Baulandentwicklung am Rand der Kommune habe man sich jüngst verabschieden müssen, „weil die Grundstückseigentümer keinerlei Mitwirkungsbereitschaft gezeigt haben“. Angesichts der fünf bis sechs Euro, die man für Ackerland zahlen könne und den 150 bis 200 Euro, wenn es in Richtung Bauerwartungsland gehe, seien die Besitzer häufig nicht bereit zu verkaufen. Hugger will und kann dabei genauso wenig an der Preisschraube drehen wie seine Kollegen in anderen Stadtverwaltungen. „Wir können und wollen den Grundstücksbesitzern keine höheren Preise bezahlen.“ Eine Kommune ist an die Festlegungen des städtischen Gutachterausschusses gebunden. „Außerdem würden wir der Preistreiberei bezichtigt, wenn wir den Eigentümern entgegenkommen würden“, sagt Wallbrecht.

Für 30 Einfamilienhäuser tausend Nachfragen

Hugger pflichtet ihm bei: Die Stadt sei in der Verantwortung, schließlich investiere sie beim Kauf von Baugrundstücken das Geld der Steuerzahler. Am Ende sei die schwarze Null das Ziel, wenn es um die Baulanderschließung gehe. Dabei könnte die Stadt durchaus bei dem ziemlich einzigen Baugebiet im Stadtteil Neckarweihingen einen richtigen Reibach machen. „Für 30 Einfamilienhäuser hatten wir rund tausend Nachfragen“, sagt Hugger.

Die Wohnungsnot wird aber auch in Ludwigsburg kaum gelindert werden, weil ein Großprojekt erst noch im Anfangsstadium der Planung steckt. Im Gebiet Fuchshof mit einer rund 60 Hektar großen Fläche zwischen der Oststadt und Oßweil sollen 500 Wohneinheiten sowie Bildungs- und Sportanlagen geschaffen werden.

Bauvorhaben in der Warteschleife

Der Druck, genügend Bauland zu schaffen, ist nahezu überall in der Region enorm. Hätte man heute ziemlich freie Bahn, an den Rändern der Kommunen neue Flächen auszuweisen, so sind kaum Grundstücke zu haben. „Früher hat der Regionalverband den Flächenverbrauch gegeißelt und Erweiterungen untersagt“, erklärt Wallbrecht. Nun gelte es, dem Wohnungsmangel zu begegnen und auch Gewerbeansiedlungen zu ermöglichen.

Doch finden Städte wie Herrenberg auch kaum Tauschgrundstücke, die sie den Besitzern von Wiesen und Äckern anbieten können, wenn sie am Ortsrand bauen wollen. So sucht Herrenberg ebenfalls sein Heil in der Umwidmung innerstädtischer Areale wie beispielsweise beim Baywa-Gelände. Der Agrarhändler war bereits vor Jahren weggezogen. Das Gelände unweit der Bahnlinie gehört der Stadt, jetzt soll ein Investor gefunden werden, der einen Wohn- und Geschäftskomplex errichtet. Andere Bauvorhaben sind noch in der Warteschleife. Laut einem Szenario mit einem moderaten Bevölkerungszuwachs werden bis 2035 jährlich im Schnitt 71 Wohneinheiten benötigt. Herrenberg wird dieses Ziel wohl nur schwer erreichen.

Suche nach Bauflächen

Waiblingen
: Auch die Stadt Waiblingen benötigt weitere Baugrundstücke. „Wir haben einen Flächensuchlauf gestartet“, sagt die Baubürgermeisterin Birgit Priebe. Geschützte Gebiete kämen dabei nicht mehr infrage. Um dort bauen zu dürfen, seien geeignete Ausgleichsflächen nötig, die aber kaum zu haben sind. Außerdem gelten hohe Auflagen etwa auch des Artenschutzes. Das einzige Wohnbaugebiet außerhalb der Kernstadt soll in Bittenfeld erschlossen werden, dort sind 120 Wohnungen geplant. In diesem Jahr beginnt zudem die Erschließung des ehemaligen Krankenhausareals mit 200 Wohnungen.

Stuttgart:
„Die Lage im Wohnungsbau ist auch in der Landeshauptstadt sehr angespannt“, sagt Matthias Bertram, der stellvertretende Amtsleiter der Stadtplanung. Das größte Projekt ist der Neckarpark, der in mehreren Abschnitten auf dem Areal des alten Güterbahnhofs in Bad Cannstatt umgesetzt wird, wo bis zu tausend Wohnungen gebaut werden.