Mit dem steigenden Meeresspiegel könnte die Inselgruppe der Malediven verschwinden. Ein Architektenteam will das verhindern.

Die Häuser sind pink und gelb, violett und türkis. Sie haben Balkone und Terrassen. Zwischen ihnen spielen Kinder im Sand oder springen in den Indischen Ozean vor der Haustür. Noch sind es nur computeranimierte Bilder, die eine bunte, sonnenbeschienene Bilderbuch-Idylle zeigen. Aber diese Vision könnte die Rettung der Malediven sein: Schafft die Weltbevölkerung es nicht, den Klimawandel aufzuhalten, sind die flachen Koralleninseln im Ozean dem Untergang geweiht – der steigende Meeresspiegel wird sie verschlucken.

 

Das niederländische Architektenteam Waterstudio will die Katastrophe verhindern: Mit der Maldives Floating City soll bis 2027 vor Malé ein neuer Teil der Hauptstadt des 1200-Insel-Staates entstehen. Häuser für 13 000 Einheimische, Freizeiteinrichtungen, aber auch Hotels, Ferienwohnungen – und alles schwimmt auf dem Wasser. Das versetzt diese weltweit erste Floating City mühelos in die Lage, auf das steigende Wasser um sie herum zu reagieren. Sie schwimmt immer obenauf. Wenn das funktioniert, könnte das Vorbildcharakter haben – für alle, die nah am Wasser gebaut sind.

Die Stadt schwimmt auf Betonkästen, die mit Styropor gefüllt sind

„Wenn Sie wollen, können Sie sich schon das erste Haus anschauen“, sagt Koen Olthuis, Kopf des Architekturbüros Waterstudio in Rijswijk, einem Vorort von Den Haag in den Niederlanden. Ein bisschen Stolz schwingt da in seiner Stimme mit. Das französische Magazine „Terra Eco“ zeichnete ihn schon vor Jahren als eine von 100 „grünen Persönlichkeiten“ aus, die die Welt verändern werden.

Er erklärt auch gleich, wie das System funktioniert: Tausende von „Waterfront-Residenzen“ schwimmen auf einer Art flexiblem Raster, verteilt auf einer 200 Hektar großen Lagune. Sie sitzen auf Pontons und ragen etwa 1,20 Meter tief ins Wasser. Den Untergrund bilden schwimmende Betonkästen, die mit Styropor gefüllt sind.

Versorgt wird die „Stadt“ durch ein vernetztes System unterhalb der Häuser und Brücken. Und oberhalb des Wasserspiegels sind die Bauten durch sandbelegte Straßen und Plätze miteinander verbunden, die wie in einem maledivischen Dorf von Palmen gesäumt sind.

Oben sandbelegte Straßen und Palmen, unten Korallenbänke

„Wir haben festgestellt, dass Korallen Beton lieben und sich darauf ansiedeln“, weiß der Architekt, der das Projekt mit Dutch Docklands realisiert. Der international agierende Immobilienentwickler ist auf schwimmende Bauvorhaben spezialisiert und arbeitet in einer Public-Private-Partnerschaft mit der maledivischen Regierung zusammen. An der Unterseite der schwimmenden Stadt werden künstliche Korallenbänke angebracht, die das Wachstum der Korallen auf natürliche Art anregen.

„Beton ist auch haltbarer und langlebiger als Stahl“, erklärt Olthuis die Wahl des Materials. Die bunten, ein- und zweistöckigen Häuser selbst sind allerdings aus Holz gebaut. Um sie in der Tropenhitze zu kühlen, wird sieben Grad kaltes Meerwasser aus einer Tiefe von sieben Kilometern aus dem Indischen Ozean heraufgeholt und in die Wände geleitet. Der Verzicht auf eine herkömmliche Klimaanlage spart so bis zu 60 Prozent der Energie. Die erzeugen wiederum schwimmende Solaranlagen und Strömungsturbinen.

Modernste Technik unter den Häusern bereitet das Abwasser so auf, dass damit später die Bäume gegossen werden können. Denn die Floating City, die nur 15 Bootsminuten von der Hauptstadt entfernt in der Lagune eines Korallenatolls liegt, will nicht nur dem steigenden Meeresspiegel ein Schnippchen schlagen. Sie will auch umweltschonend, klimaneutral und nachhaltig für die Zukunft gerüstet sein.

Touristen werden Tür an Tür mit Einheimischen wohnen

Wenn ab 2025 die ersten Familien auf die autofreie Floating City ziehen, wird auch ein Novum im Tourismus des beliebten Inselstaates südlich von Indien geschaffen: 55 Jahre nachdem sich die muslimisch geprägten Inseln für ausländische Besucher öffneten, werden sich hier die Einheimischen im größeren Stil mit Touristen mischen, die die Häuser kaufen oder mieten können. Bislang leben nur auf Hanimadhoo im Haa-Alifu-Atoll sowie auf wenigen kleinen, ausschließlich von Maledivern bewohnten Inseln Touristen Tür an Tür mit den Dorfeinwohnern.

„Wasser ist der perfekte Ort, wo unsere Städte wachsen können, um sie sicherer zu machen und günstiger“, sagt Olthuis. Zu den Baukosten für die Stadt möchte sich das Architekturbüro nicht äußern. Doch wenn man „um die Küstenstädte der Welt in den nächsten 100 Jahren zehn oder 15 Meter hohe Deiche bauen muss, wird das viel teurer“, so der Visionär.

Dass das so kommt, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Meeresspiegel steigt durch die globale Erwärmung. Auch wenn der Weltklimarat IPCC schätzt, dass es bis zum Ende des Jahrhunderts „nur“ etwa ein Meter sein wird – selbst das hätte schon immense zerstörerische Folgen.