Die Petrusgemeinde beginnt den zweiten Teil der Kirchensanierung. In diesem Jahr wird noch geplant und gesammelt, 2018 dann gebaut – für kalkuliert 880 000 Euro.

Gerlingen - Hier herauf kommt nicht jeder: Der Zugang zum Dachboden liegt versteckt. Jochen Helsen zieht eine schmale Teleskoptreppe aus einer Deckenverkleidung der Empore. Die Stufen schwanken. Wer der Gerlinger Petruskirche aufs Dach steigen will, muss schwindelfrei sein. Der Bereich über dem Kirchenschiff und dem Chorraum ist unspektakulär. Aber schon nach kurzem Umschauen erkennt man eines: Hier müssen Fachleute ran. Die dicken Balken des Dachstuhls sind an vielen Stellen schadhaft; Schädlinge, Wind, Wetter und Feuchtigkeit haben im Lauf von mehr als 500 Jahren ihre Spuren hinterlassen. In einem Balken verschwindet fast ein Kugelschreiber an einer schadhaften Stelle. An einem anderen klebt ein Schild: das Dokument einer Schädlingsbekämpfung während der siebziger Jahre. Das damals verwendete Gift ist nicht mehr zugelassen – seine Rückstände bescheren zusätzlichen Zusatzaufwand.

 

Lange Liste mit Vorhaben

Für die Petruskirchengemeinde haben die Architekten vom Büro Appinger, welche die Innenrenovierung der Kirche vor einigen Jahren geplant und überwacht haben, längst eine Bestandsaufnahme angefertigt und die nötigen Sanierungen aufgelistet. „Die Sache ist durchgerechnet“, sagt Pfarrer Jochen Helsen, der Baufachmann unter den Hauptamtlichen der Gemeinde. „Das ist die fünfte große Sanierung in meiner Zeit als Pfarrer“, sagt der 53-Jährige.

Die Liste ist lang: So müssen unter anderem alle Fenster überarbeitet und ausgebessert werden, inklusive der Bleiverglasungen. Das schadhafte Dachgebälk muss zum Teil ausgetauscht werden, „wobei wir so viel wie möglich erhalten wollen“, sagt Helsen. Und das Dach über der Sakristei birgt ungewollte Geheimnisse: Dort lagert vermutlich kubikmeterweise Bauschutt aus früheren Zeiten, der jetzt dringend raus muss. Die Putzschichten an den Außenmauern bieten reichlich Arbeit für Stuckateure und Maler; Steinmetze braucht es, um die Grabmale an der Kirchenwand zu überarbeiten.

Gebaut werden soll von März 2018 an. Zuvor wird die Kirche inklusive Turm hinter einem Gerüst verschwinden. Die Gesamtkosten sollen sich laut den Architekten auf 880 000 Euro belaufen. „Wir haben noch ein wenig Rücklagen und müssen etwa die Hälfte aufbringen“, sagt Helsen.

Ein großes Ziel für die Spendenkampagne

Er markiert das Ziel für die Spendenkampagne: eine viertel Million Euro, „eher plus“. Heinrich Buchenau kennt diese Summe. Er steht mit unter dem Dach und sieht zum ersten Mal im Detail, wofür er sich mit seinem Fundraisingteam einsetzen wird. „Dein Stein hilft 2.0“ haben sie die Kampagne getauft, mit der die Gemeinde an die Öffentlichkeit gehen will. Heinrich Buchenau hat den ehrenamtlichen Job von Brigitte Meier übernommen, die die erste „Dein Stein hilft“-Kampagne von 2009 bis 2014 gemanagt hat – und mit ihrem Team dafür mit dem Fundraisingpreis der evangelischen Landeskirche ausgezeichnet wurde. „Wir profitieren stark von der ersten Aktion“, sind Helsen und Buchenau überzeugt. Das Logo werde weiter verwendet, bewährte Mitstreiter hätten zugesagt, die erste Veranstaltung hat 800 Euro gebracht. „Ein guter Anfangserfolg“, meint Buchenau. Er freut sich auf Konzerte, unter anderem mit Ensembles von Bosch.

Dann hat der Aufstieg unters Kirchendach noch einen praktischen Erfolg: Die beiden finden eine Kirche – knapp einen Meter lang und hoch und einen halben Meter breit. Im Dach deren Sakristei ist ein Schlitz. Eine Jungschar hat das Modell aus Pappe und Holz vor Jahrzehnten gebaut. Helsens testet die Sammelbox: Er holt einen 50-Euro-Schein aus dem Geldbeutel und schiebt ihn in den Schlitz.

Die Geschichte der Petruskirche

Die Kirche in der Ortsmitte von Gerlingen wurde von 1463 an erbaut – als katholische Kirche. Die Reformation kam erst lange nach 1517 ins Strohgäu. Gerlingen war damals ein Dorf von 1000 Einwohnern. Als Baumaterial dienten Steine und Bäume aus der Umgebung, alle packten mit an. Vor vier Jahren feierte die Gemeinde das 550-Jahr-Jubiläum der Kirche.


Die Petruskirche wurde im Lauf ihrer Geschichte immer wieder umgebaut, nach heutigen Maßstäben nicht immer sachgerecht. Die letzten Renovierungen waren in den sechziger Jahren und von 2011 bis 2013.

Die erste Spendenkampagne unter diesem Namen lief von 2009 bis 2014, sie erbrachte 602 000 Euro. Die Aktion wird als „Dein Stein hilft 2.0“ neu aufgelegt.