In Korntal-Münchingen entsteht eine Wohngemeinschaft für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf. Die Stadt Gerlingen war einst Vorreiter im Landkreis.

Nach langem Ringen steht nun fest: Im städtischen Gebäude Kita Korntal-West entsteht neben gefördertem Wohnraum auch eine Demenz-WG. Der Korntal-Münchinger Gemeinderat hat den Plänen für die Nutzung des zweiten Obergeschosses als Wohngemeinschaft für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf zugestimmt – nachdem er die Entscheidung zuletzt vertagt hatte und davor die Kostenberechnung abwarten wollte. Tragen wird die Einrichtung die Stuttgarter Heidehof-Stiftung. Nach eigenen Angaben erproben und betreiben deren Tochterfirmen in Gerlingen und Ditzingen-Heimerdingen „erfolgreich“ Wohngemeinschaftsmodelle.

 

Es hätte auch anders ausgehen können. Nach derzeitigem Stand muss die Stadt für den Neubau rund 10,8 Millionen Euro aufbringen – mehr Geld als kalkuliert. Der Grund: weniger Zuschüsse als erwartet, vor allem die KfW-Förderung fällt wesentlich geringer aus. Überhaupt wird das gesamte Projekt teurer: Die Umsetzung kostet etwa 16,3 Millionen Euro, Preissteigerungen sind mit eingerechnet. Somit haben sich die Kosten verdoppelt. Vor diesem Hintergrund begannen Gemeinderat und Verwaltung nach Einsparmöglichkeiten zu suchen, die laut dem Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos) aber „eher überschaubar“ sind.

CDU: Kita auf zwei Etagen genügt

Es war schließlich die CDU-Fraktion, die einen Antrag stellte, der vorsah, das Projekt deutlich abzuspecken. „Wir brauchen keinen Mehrzweckraum“, sagte der Fraktionschef Oliver Nauth – und plädierte dafür, nur eine Kita auf zwei Etagen zu bauen und auf den Rest zu verzichten. Was nach Meinung des Rathauschefs ein „Riesenfehler“ wäre und weder wirtschaftlich noch städtebaulich zu vertreten. Geförderte Sozialmietwohnungen zu bauen, sagte Joachim Wolf, sei so nötig und sinnvoll, wie die Demenz-WG einzurichten. Das findet die Mehrheit der Stadträte auch. Das Gremium beschloss außerdem, die Einsparmöglichkeiten selbst zu bestimmen statt die Entscheidung dem Planungsbeirat zu überlassen. Baustart ist im November.

Für die erste Demenz-WG in der Stadt spricht einiges, die Kommune sieht großen Bedarf. Mangels Zahlen für demenziell erkrankte Personen stützt sich die Verwaltung auf die Annahme, dass rund sieben bis neun Prozent der Menschen über 65 statistisch an einer Demenz leiden. „Für das Stadtgebiet Korntal wären dies heute circa 97 bis 125 Personen.“ In zehn Jahren könnten dies gemäß der durch das statistische Landesamt prognostizierten demografischen Entwicklung bereits 120 bis 156 Betroffene sein.

Die pflegenden Angehörigen im Blick

Die Verwaltung hat auch die Angehörigen im Blick: Die meisten Demenzkranken würden von den Angehörigen zu Hause versorgt – „in der Regel sieben Tage die Woche, rund um die Uhr über viele Jahre hinweg“. Hier sei dringend Entlastung geboten. „Viele dieser pflegenden Angehörigen schrecken angesichts des vorhandenen Angebots lange davor zurück, ihre erkrankten Angehörigen in die Obhut eines traditionellen Pflegeheims zu geben.“

Das führe zu erheblichen Belastungs- und Gesundheitsrisiken bei den pflegenden Angehörigen und gefährde darüber hinaus die Ressource „familiäre Pflegebereitschaft“. Statt kleinräumiger Wohn- und Betreuungsformen stünden heute noch fast ausschließlich Pflegeplätze in großen Einrichtungen zur Verfügung.

Auch der Landkreis weiß um den Bedarf für und um die Vorteile von Demenz-WGs mit Einzelzimmern, gemeinschaftlichen Wohn- und Aufenthaltsräumen und Betreuung rund um die Uhr. Er unterstützt sie unter anderem finanziell – erstmals in Gerlingen, wo 2017 im Annemarie-Griesinger-Haus die kreisweit erste Demenz-WG öffnete.