Ist das noch etwas, das die Leute verschenken, oder doch schon eher eine wilde Ansammlung von Sperrmüll? Bei so manchem, was in Stuttgart vor Häusern auf der Straße steht, drängt sich diese Frage auf. Seit einiger Zeit erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit, die „Zu-verschenken“-Kisten auf dem Gehweg.
Doch während die einen es lieben, in den aussortierten Schätzen anderer womöglich etwas Brauchbares zu finden, sind andere zunehmend genervt. Denn längst nicht alles, was da rausgestellt wird, findet einen neuen Besitzer – oder passt in eine Kiste.
„Wir beobachten in Stuttgart seit einigen Jahren eine zunehmende Anzahl an Verschenk-Kisten und frei abgestellten Gegenständen im öffentlichen Raum“, sagt eine Sprecherin der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS). Das Angebot sei oftmals gut gemeint, heißt es beim städtischen Tochterbetrieb, allerdings entwickle sich daraus „schnell eine Vermüllungssituation“. Häufig kämen weitere Dinge dazu, anstatt dass sich der Haufen lichte, denn manche fühlten sich eingeladen, dort ihren eigenen Kram abzuladen. Und zu beobachten ist auch das Phänomen, dass rausgestellte Sachen nie wieder reingeholt werden, wenn sie keiner will.
Besonders ärgerlich ist für Anwohner und AWS der Trend, sich mit vermeintlichen Verschenk-Angeboten seines Mülls entledigen zu wollen, ohne ihn richtig entsorgen zu müssen. „Für manche Bürgerinnen und Bürger scheint dies als eine Art zweiter Sperrmüll wahrgenommen zu werden“, sagt die Sprecherin. Immer häufiger würden Dinge rausgestellt „die nicht mehr brauchbar sind oder eindeutig zum Sperrmüll gehören“. Einen klaren räumlichen Schwerpunkt könne man nicht festmachen, das Thema trete stadtweit auf. Tendenziell nähmen die Fälle zu.
Die Folge laut AWS: „Dadurch entstehen unschöne Ablagerungen im Stadtbild, teilweise auch Beeinträchtigungen von Gehwegen. Unsere Einsatzteams müssen diese Gegenstände dann einsammeln und ordnungsgemäß entsorgen. Das verursacht zusätzlichen Aufwand sowie entsprechende Kosten.“ Die dann im Normalfall die Allgemeinheit tragen muss, sofern sich kein Verursacher findet.
Jede Menge kaputte Elektrogeräte
Auf den Straßen steht dabei alles, was denkbar ist. Neben Bücher- und Geschirrkisten, Kleidung oder Schuhen berichtet die AWS von Möbeln, Lampen, Matratzen, Lattenrosten, Teppichen, Kinderwagen, defekten Fahrrädern, Koffern oder Dekoartikeln.
Besonders ärgerlich: Es finden sich auch jede Menge kaputte Elektrogeräte wie Toaster, Drucker oder Kaffeemaschinen, zerbrochenes Glas oder Porzellan oder sogar Bauabfälle wie Paletten, Bretter, Türen, Farbeimer oder Sanitärkeramik. Die Krönung bilden Leute, die nach dem Ende der Sammeltermine ihre vertrockneten Weihnachtsbäume einfach vor die Tür stellen – wer auch immer die dann mitnehmen soll.
„Zu-verschenken“-Kisten: So ist die Rechtslage
Rein rechtlich gilt beim Verschenken auf Stuttgarter Straßen: Auf privaten Flächen wie Hofeinfahrten darf man machen, was man will, und auch „Zu Verschenken“-Kisten aufstellen. Wer allerdings aussortierte Sachen auf einem öffentlichen Gehweg abstellt, und sei es vor der eigenen Haustür, der handelt ordnungswidrig – es sei denn, man verschafft sich eine sogenannte Sondernutzungserlaubnis.
Laut Ordnungsamt wird die allerdings normalerweise nicht erteilt, damit keine Fußgänger oder Radfahrer behindert werden. Verwarnungen gibt es aber selten. Bei illegalen Sperrmüllablagerungen kann es allerdings Bußgelder geben.
Stadt bietet Verschenkmarkt an
Die Stadt Stuttgart weist darauf hin, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, aussortierte Dinge zu verschenken, online oder in sozialen Einrichtungen. Im Internet hat sogar die Stadt selbst ein Angebot: „Als Alternative steht den Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger mit dem Online-Verschenkmarkt kostenlos eine Plattform zur Verfügung, auf der gut erhaltene Gegenstände zum Verschenken beziehungsweise zum Tausch angeboten werden können“, heißt es bei der AWS. Und alles, was Müll ist, muss eben so behandelt und entsorgt werden: als Müll.
Immerhin: Von schwerwiegenden Funden ist in Stuttgart bisher nichts bekannt. Es muss ja nicht immer gleich so ausarten wie in Landshut vor knapp zwei Jahren: Dort fanden Kinder in einer Kiste mit der Aufschrift „Zu verschenken“ eine geladene Schreckschusswaffe samt Munition. Wer die Kiste mit der Waffe dort abgestellt hatte, blieb unklar. Die Polizei ermittelte wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz.