Verträge sind einzuhalten. Darauf sollte jeder Kunde eines Finanzinstituts vertrauen können. Schätzen die Unternehmen die Zinsentwicklung falsch ein, ist das deren Risiko. Insofern ist es gut, dass das OLG Stuttgart zugunsten einer Kundin der Bausparkasse Wüstenrot geurteilt hat, meint Klaus Dieter Oehler.

Stuttgart - Pacta sunt servanda. Dieses Prinzip, dass Verträge einzuhalten sind, haben wir früher im Lateinunterricht gelernt. Und es ist auch heute noch das Prinzip der Vertragstreue im öffentlichen wie im privaten Recht. Insofern sollte jeder Kunde einer Bausparkasse (oder jeder anderen Bank oder Versicherung) darauf vertrauen können, dass die Bedingungen, die bei Vertragsabschluss gegolten haben, auch für die Laufzeit des Vertrages gelten. Auch die Banken knüpfen schließlich ihre Konditionen an die Laufzeit. Das Problem jedoch, mit dem sich jetzt zunehmend die Gerichte befassen müssen, liegt im Kleingedruckten – den vielen Zusatzklauseln, die ehrlicherweise wohl die wenigsten Bankkunden und Bankmitarbeiter wirklich ausführlich studieren. Die schon seit Monaten anhaltende Phase extrem niedriger Zinsen hat die Probleme nun an den Tag gebracht, da die Institute nicht mehr wissen, wie sie die Renditen erzielen sollen, die dafür nötig sind, die früher gegebenen Versprechen und Verträge auch einzuhalten.

 

Ist ein Bausparvertrag nur dazu da, einen späteren Immobilienkauf günstiger finanzieren zu können? Oder bietet es sich nicht geradezu an, das bereits angesparte Geld zu vergleichsweise verlockenden Konditionen auf dem Konto zu belassen, wenn keine geeignete Immobilie in Sicht ist und gleichzeitig andere Anlageformen deutlich weniger attraktiv sind? Das ist eine Frage, die nun vermutlich der Bundesgerichtshof (BGH) im Nachhinnein prüfen muss. Die Bausparkassen und andere Finanzinstitute aber sollten auch gründlich darüber nachdenken, ob sie ihre Angebote künftig besser und nachhaltiger ausrichten müssen. Natürlich hatten weder Kreditinstitute noch Versicherungen damit gerechnet, dass es je zu einer länger anhaltenden Niedrigzinsphase kommen würde. Aber das Risiko einer solchen Fehleinschätzung müssen die Institute tragen, nicht der einzelne Verbraucher. Da mögen Juristen noch so passende Paragrafen zur Hand haben – rein moralisch fühlt es sich nicht gerecht an, wenn nachträglich die Voraussetzungen für einen Vertrag zu Gunsten des Stärkeren verändert werden. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit seinem Urteil ein Ausrufezeichen gesetzt. Spannend wird, wie es vor dem BGH weitergeht.