Ein Sparer aus Dinkelsbühl ist jetzt gegen seinen Willen drei Bausparverträge los. Der 48-Jährige bezweifelt, dass in dieser Gesellschaft noch alles mit rechten Dingen zugeht.
Stuttgart - Ums Geld geht es Herbert Richter längst nicht mehr. Ihn interessiert jetzt, ob in dieser Gesellschaft noch alles mit rechten Dingen zugeht. Da zweifelt er. „Freiheit scheint die Freiheit der ein Prozent da oben zu sein, sich rücksichtslos auf dem Rücken der 99 Prozent da unten zu bereichern“, argwöhnt er. Und das will er nicht hinnehmen. Deshalb hat der 48-Jährige aus dem fränkischen Dinkelsbühl jetzt an das bayerische Justizministerium mit der Bitte geschrieben, seine Klage auf Schadenersatz erneut zu verhandeln – diesmal „unter fairen Bedingungen“, wie er sagt.
Eigentlich ist der seit Jahren andauernde Streit Richters mit der Bausparkasse Schwäbisch Hall und der VR Bank Dinkelsbühl durch ein Urteil des Landgerichts Ansbach vom März beigelegt: Er musste die Kündigung seiner Bausparverträge hinnehmen; die Kosten des Rechtsstreits wurden zu 95 Prozent ihm auferlegt. Gleichwohl willigten die beiden Genossenschaftsinstitute in einen Vergleich ein, sprachen ihm 1250 Euro zu (Richter: „ein Almosen“). Dem Vergleich hat er zwar zugestimmt, aber das bereut er mittlerweile.
Die Erfolgsaussichten sind gering
Deshalb hat der gelernte Kaufmann den Antrag in München gestellt, auch wenn er ihm selbst kaum Chancen einräumt. Richter ist einer von 200 000 Bausparern in Deutschland, denen ihre Bausparkasse in den vergangenen Jahren den Vertrag gekündigt hat. Aber sein Fall ist ungewöhnlich. Denn der Kleinunternehmer ist entweder in eine Falle getappt, was er zumindest nicht ausschließt, oder er ist das Opfer einer schlechten Beratung geworden.
Zur Vorgeschichte. Die gesamte Bausparbranche hat ein Problem, weil die Institute in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase auf Bausparguthaben teilweise noch drei bis fünf Prozent Zinsen zahlen müssen; die Verträge stammen meist aus den 90-er Jahren, als diese Zinssätze noch marktüblich waren. Mit besonderen Tarifen wurden auch Kunden angelockt, die gar kein Interesse an einem Darlehen hatten – nunmehr sind sie eine Last, von der sich die Branche befreien will. So wurden zunächst Bausparverträge gekündigt, bei denen das Guthaben auf dem Bausparkonto die Vertragssumme übersteigt. In solchen Fällen kann es kein zinsgünstiges Bauspardarlehen mehr geben, was der eigentliche Zweck des Bausparens ist. Zudem werden jetzt Verträge gekündigt, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind, ohne dass der Kunde sein Darlehen abgerufen hätte. Parallel zu den Kündigungen versuchen seit langem Außendienstler der Bausparkassen die Kunden freiwillig zum Verzicht auf die Verträge zu bewegen und bieten ihnen alternative Anlagen an. Das würde sich für die Kunden zwar nicht lohnen, aber für die Bausparkasse und für den Berater, der auf eine Provision hoffen darf. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat es gerade mit Fällen vom Jahresbeginn zu tun, in denen die BHW-Bausparkasse versucht hat, Kunden mit dem Anschreiben „Ihr Bonus-Anspruch ist in großer Gefahr!“ zum Ausstieg zu bewegen. Nauhauser: „In diesen Fällen hat die Bausparkasse gar kein Kündigungsrecht.“
Wurde der „Zeitzünder“ mit Bedacht eingebaut?
Von Kündigung war keine Rede, als Bausparer Herbert Richter 2009 in Dinkelsbühl einen Anruf von seiner Bankberaterin erhielt. Im Gegenteil. Sie habe seine Unterlagen „routinemäßig durchgesehen“, so erinnert sich Richter an die Einleitung des Gesprächs und die dann folgende Empfehlung: Er solle Geld von seinem niedrig verzinsten Festgeldkonto auf drei seiner vier Bausparverträge – mit denen sich Richter die Möglichkeit zum Erwerb von Wohneigentum offen lassen wollte – umschichten.