Von April an wird im Engelbergtunnel gearbeitet. Die Fahrer will man auch bei Stau auf den Autobahnen und aus den Städten heraushalten.

Leonberg - Über Rutesheim dauert es 20 Minuten, durch Leonberg hindurch 28 Minuten, über die Autobahn 23 Minuten. So oder so ähnlich könnten ab dem kommenden Jahr digitale Reisezeitanzeigen rings um das Leonberger Dreieck den Verkehr lenken. Die Entscheidung, welche Route man nimmt, liegt dann zwar immer noch bei den Fahrern, egal ob Pendler oder Brummi-Lenker. Doch die Angaben, möglichst in Echtzeit, sollen dabei helfen, so viele Verkehrsteilnehmer wie möglich auf der Autobahn zu halten und nicht in den umliegenden Ortschaften Leonberg, Rutesheim, Ditzingen, Gerlingen sowie dem äußersten Stuttgarter Westen den Verkehr lahmzulegen.

 

Die Reisezeitanzeigen sind nur ein Teil eines ganzen Verkehrsführungskonzepts, welches das Regierungspräsidium Stuttgart beauftragt hat. Der Grund ist die gerade gestartete Sanierung des Engelbergtunnels für rund 135 Millionen Euro, die fünf Jahre dauern soll. Auf einer Länge von 450 Metern werden die Tunnelröhren gegen das quellende Anhydrit verstärkt. Zudem werden Teile der Technik erneuert beziehungsweise unter die Fahrbahn verlegt. Bereits seit 2016 laufen die Vorbereitungen. Im September wurde dann mit den Arbeiten unter der Fahrbahn begonnen. Von April 2020 an bis 2024 soll dann auch in den Röhren gearbeitet werden – neben dem Verkehr bei verengten oder verlegten Spuren.

Operation am offenen Herzen

Das Projekt wird gern auch als „Operation am offenen Herzen“ bezeichnet. Eine anfangs angedachte Sperrung jeweils einer Tunnelröhre wurde wieder verworfen. Stattdessen will man tagsüber, also zwischen 5 und 22 Uhr, alle drei Fahrstreifen erhalten. Immerhin fahren mehr als 110 000 Autos plus 12 000 Lkws hier durch – und das jeden Tag. Schon jetzt ist der Tunnel während des Berufsverkehrs an seine Kapazitätsgrenzen angelangt. Um die Belastung zu verringern, aber auch den Ausweichverkehr in umliegenden Kommunen bei zu erwartenden Staus zu mindern, hat das Büro BS Ingenieure aus Ludwigsburg ein Konzept erarbeitet.

Überregionalen Verkehr umlenken

Bereits an den Autobahnkreuzen Walldorf (A 5/6), Weinsberg (A 6/81) und Karlsruhe (A 5/8) soll auf die Baustelle hingewiesen und über die Alternativroute auf großflächigen Digitalanzeigen informiert werden. Damit soll vor allem internationaler und transnationaler Verkehr (vor allem Schwerlastverkehr) umgelenkt werden. Eine solche Digitalanzeige gibt es auch Leonberger Dreieck, die ebenfalls genutzt werden soll.

Regionalen Verkehr beeinflussen

Der Verkehrsraum Stuttgart sei ohnehin hoch belastet, attestieren die Planer. Ein großer Schritt sei deshalb das regionale Verkehrssteuerungssystem, das der Verband Region Stuttgart entwickeln will. Vor allem der regionalen Mobilitätsplattform komme eine große Bedeutung zu. Denn für die Bauzeit im Engelbergtunnel sollen dynamische Wegweiser auf den Autobahnen rings um Stuttgart installiert werden, die auf Staus früh hinweisen. Etwa bereits ab Rutesheim oder Esslingen auf der A 8 oder Mundelsheim auf der A 81. Dazu soll auf weiteren Abschnitten der Seitenstreifen als vierte Fahrbahn genutzt werden dürfen, etwa von Filderstadt bis Denkendorf (A 8) oder von Ludwigsburg bis Zuffenhausen (A 81, beidseitig).

Verkehr auf den Autobahnen halten

Je näher es an den Engelbergtunnel herangeht, desto „intelligenter“ sollen die digitalen Anzeigen werden. So sind Reisezeitvergleiche in Echtzeit geplant, wie eingangs beschrieben. Zu den Ausweichrouten, die dabei angegeben werden, gehören etwa die Umgehung über Rutesheim, Gebersheim, Höfingen sowie die A 831 über die Wildparkstraße nach Gerlingen oder die Route vom Westanschluss Leonberg durch die Kernstadt nach Ditzingen (jeweils in beiden Richtungen). Was in der Auflistung bislang fehlt, ist die Strecke vom Anschluss Leonberg-Ost durch die Stadt nach Ditzingen. Stattdessen wird hier mit einer Route über die Schillerhöhe und Gerlingen geplant. Auch die Strecke über die Wildparkstraße an der Solitude vorbei nach Stuttgart-Wolfbusch und Weilimdorf fehlt.

Wichtig in dem Zusammenhang ist aber folgender Vorschlag: „Falls die Reisezeit auf der Ausweichroute geringe wäre, wird die Angabe auf die Hauptroute beschränkt.“ Oberstes Ziel sei es, die Fahrzeuge auf der Autobahn zu halten. Man versuche, die Alternativroute bei Anbietern von Navigationsgeräten und -Apps zu reduzieren. „Aber das ist ganz schwierig“, sagt Enrico Hinz, der Projektleiter der Sanierung beim RP.

Lokalen Verkehr begrenzen

Zuflussregulierung heißt das Schlagwort – auch bekannt als Pförtnerampeln. Der Stau soll damit draußen vor die Städte verlagert werden, damit drinnen alles normal fließt. Eine zentrale Rolle wird dabei der neue Verkehrsrechner der Stadt Leonberg spielen, der bis dahin voll einsatzfähig sein muss. „Voraussetzung ist aber, dass hier zuständigkeitsübergreifend zusammengearbeitet wird“, sagt Wolfgang Schröder vom Büro BS Ingenieure.