Eine Grundwasserabsenkung auf der Baustelle hinterm Ochsen in Stetten hat offenbar massive Folgen für Nachbarhäuser. Der beauftragte Architekt weist Vorwürfe von sich. Doch auch das Bauamt der Gemeinde spricht von „gravierenden Schäden“.

Stetten - Jochen Schetter inspiziert sein Haus im Bergweg 4 genau – und entdeckt fast täglich neue Schäden am Mauerwerk. Seit nebenan auf der Baustelle zwischen dem Gasthof Ochsen und dem Haldenbach geschafft wird, gibt es nicht nur Risse im Putz, sondern auch Sorgenfalten auf seiner Stirn. „Durchs Absenken des Grundwassers ist das Gebäude permanent in Bewegung, es wölbt sich, es kippt, die Ecken reißen auf“, sagt der Stettener.

 

Die archäologischen Entdeckungen im ausgebaggerten Baubereich sorgten für Aufsehen

Die Baustelle im ehemaligen Garten des Ochsens birgt einige Überraschungen. Die archäologischen Entdeckungen im ausgebaggerten Baubereich – eine historische Wasserburg samt Brücke – sorgten für Aufsehen. Doch unter den Nachbarn löst der Neubau in der Klosterstraße 3 mehr Ärger als Freude aus. Der erste Verdruss für Familie Schetter liegt mehr als zweieinhalb Jahre zurück. Damals brannte nachts die Kühlzelle des Ochsens. Die Flammen beschädigten das benachbarte Wohnhaus, wölbten Rolläden und brachten Fenster zum Bersten. Gravierend war aus Sicht von Jochen Schetter, dass bei dem Feuer teilweise zerstörte Asbestplatten offenbar erst Wochen später entsorgt wurden. „Damit fing alles an“, sagt der Nachbar. Noch schlimmer als die Brandschäden sind für ihn zahlreiche Risse, die sich vom Erdgeschoss bis unters Dach ziehen. „Wir wissen nicht, ob wir ausziehen müssen“, sagt Herr Schetter.

Nachbarn klagen über Risse an ihren Häusern. Foto: Eva Herschmann

Schuld an der Misere haben für den Nachbarn die Bauarbeiten. Schon bevor Pumpen das Grundwasser von der Baugrube fernhielten, habe es Schwierigkeiten gegeben. „Beim Ausbau der im Erdreich gelagerten Erdöltanks hat die Erschütterung die ersten Risse im Gemäuer verursacht, meines Wissens ist Öl in den Boden geflossen“, sagt Jochen Schetter. Seit Pumpen in Stettens Ortsmitte arbeiten, werde es immer schlimmer. Seit März sind mehrere Marker an der Hauswand angebracht. Sie zeigen für den Hausherrn deutlich, dass das Mauerwerk in Be-wegung ist. Er will die Frage nach einer Entschädigung gerichtlich klären lassen.

Kürzlich war bereits ein Statiker da, um das Gebäude zu untersuchen und die Höhe der Schäden zu beziffern. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Vor Ort war am Mittwoch der Technik-Ausschuss des Gemeinderats. Bauamtsleiter Peter Mauch und einige Bürgervertreter besichtigten die Risse im Mauerwerk. „Es gibt gravierende Schäden, die in Zusammenhang mit der Grundwasserabsenkung entstanden sind. Das ist eine ganz üble Sache für die Betroffenen“, sagte der Bauamtsleiter in der Sitzung.

Kernens Bauaumtsleiter Peter Mauch bestätigt, dass der Untergrund in der Klosterstraße als schwieriges Terrain gilt

Längst gehört die berühmte „Herberge der Herren von Stetten“ nicht mehr der Familie von Ochsenwirt Schlegel, die das Lokal drei Generationen lang führte. Eigentümer ist nun der Stettener Architekt Gerhard Jeggle, der offiziell als Bauleiter der Firma ZBI fungiert. Jeggle weist die Vorwürfe des Nachbarn vehement zurück: „In dem Gebäude waren schon Risse, bevor wir mit dem Verbau und Ausheben der Grube und Absenken des Grundwassers angefangen haben“, sagt der Planer. Es werde darauf geachtet, Erschütterungen zu vermeiden. Zudem werde sichergestellt, dass auf dem Grundstück von Jochen Schetter der Pegel des Grundwassers nicht weiter sinke als im natürlichen Verlauf. „Wir machen nur Sachen, die genehmigt sind, dokumentieren alles, ein Hydrogeologe überwacht es“, sagt Gerhard Jeggle.

Kernens Bauaumtsleiter Peter Mauch bestätigt, dass der Untergrund in der Klosterstraße als schwieriges Terrain gilt – und das dem Bauherrn auch bekannt war. Von einer Einstellung der Baustelle hält der Rathausmann aber nichts. „Meiner Meinung nach wäre es wohl besser, das Ganze schnell fertigzustellen, und das Grundwasser möglichst rasch wieder anzuheben“, sagte er in der Ausschusssitzung. Zweifelsfrei sei aber durch den Bau in Stetten ein „deutliches Problem“ entstanden. Laut Jochen Schetter, der mit seiner Frau und vier Söhnen im Haus Nummer 4 wohnt, sind auch „Risse an mindestens vier bis fünf Nachbarhäusern entstanden“. Und seine Schwester Petra erinnert sich, dass die alte Frau Schlegel, Mutter der früheren Ochsenwirt-Besitzer Rolf und Wolfgang, immer erzählt habe, dass an dieser Stelle nie gebaut werden könne, weil hier früher ein See gewesen sei. „Aber Jeggle hat immer gesagt, er sei ein guter Architekt“, ergänzt ihr Bruder mit Blick auf die Risse.