Baustellen gibt’s viele in der Landeshauptstadt: große und kleine, kurze und lange, mehr oder weniger ärgerliche. Die Baustelle Merkursäule am Schillerplatz ist vor allem eine hohe.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

In Stuttgart ist nicht alles Gold, was glänzt. Manches aber doch. Zum Beispiel die Merkurfigur hoch über der Alten Kanzlei. Zumindest ist sie vergoldet. Der römische Götterbote, der auch Gott der Händler und der Diebe ist, krönt dort die nach ihm benannte Säule. Gegenwärtig krönt er allerdings ein hohes Baugerüst, denn die Merkursäule ist reparaturbedürftig. Und das schon länger: seit 2021 laufen „Instandsetzungsmaßnahmen“. Der Naturstein muss erneuert werden. „Im Frühjahr 2023 ist die Sanierung des oberen Bereichs der Merkursäule mit Merkurfigur und Steinkranz vorgesehen“, lässt das zuständige Finanzministerium wissen. Das Ganze steht unter Witterungsvorbehalt, denn: „Die Arbeiten sind erst ab einer Tag- und Nachtaußentemperatur von mindestens 5 Grad möglich“, erklärt ein Sprecher. Auch steht noch nicht fest, was alles erneuert werden muss. „Die denkmalschutzrechtlichen Anforderungen der Sanierung des oberen Bereichs der Säule sind derzeit zwischen Vermögen und Bau und der Landesdenkmalbehörde in Abstimmung“, teilt das Ministerium mit. Die Entscheidung der Landesdenkmalbehörde soll demnächst vorliegen. Eine Kostenschätzung gibt es bereits: rund 150 000 Euro wird die Sanierung der Säule wohl kosten.

 

Auf der Säule steht schon der dritte Merkur

Die Baustelle beim Schillerplatz zieht sich demnach noch ein Weilchen hin. Das gibt Gelegenheit, an die spannende Geschichte der an die Alte Kanzlei angelehnte Merkursäule zu erinnern, die in Wahrheit ein alter Wasserturm ist. Sie begann 1598: „Zur Speisung der Wasserwerke im Lustgarten und der Brunnen im Alten Schloss ließ Herzog Friedrich im Jahr 1598 einen Wasserturm an der Nordostecke der Alten Kanzlei errichten“, notierte der Heimatforscher Gustav Wais. Heinrich Schickhardt entwarf die Säule, Wendel Dietterlin das reich verzierte Kapitell. Ganz oben thronte damals kein Gott, sondern ein profaner Wasserkasten. Beim Umbau der Alten Kanzlei (1861–1864) entschied König Wilhelm I. den Kasten durch einen schwebenden Merkur zu ersetzen, den Hofbildhauer Ludwig von Hofer nach dem Vorbild des in Florenz ausgestellten Götterboten von Giovanni Bologna anfertigte. Bis zum Zweiten Weltkrieg schwebte die in Zink gegossene Figur elegant über der Stadt. Den Bomben konnte der Götterbote nicht ausweichen; er wurde stark beschädigt und nach Kriegsende durch einen Aluminiumguss ersetzt. Auch diese Figur hatte keinen Bestand; die Korrosion setzte ihm zu. 1995 wurde der bis dato letzte Merkur auf den Sockel gehievt, ein von der Kunstgießerei Strassacker in Süßen hergestellter vergoldeter Bronzeguss.

Ein Tag der offenen Säule?

Aufmerksamkeit verdient jedoch nicht nur der Merkur oben, sondern auch das Kosakenbrünnele am Fuß der Säule. Trotz Baugerüst ist der Wandbrunnen gut sichtbar, wenngleich er nicht sprudelt. Sein Name rührt angeblich daher, dass Kosaken während des russisch-deutschen Feldzugs gegen Napoleon 1814 dort ihre Pferde tränkten. Fehlt nur noch der Hinweis auf das Innere der Säule, die ein kleines Geheimnis birgt: Rechts vom Brunnen befindet sich eine Holztür, die derzeit verdeckt ist. Durch sie gelangt man zu einer Wendeltreppe, die hoch hinausführt – zum Götterboten auf die kleine Aussichtsplattform. Es wäre schön, wenn sich die Tür nach Abschluss der Instandsetzungsarbeiten für die Öffentlichkeit öffnen würde, um einen Blick ins Innere werfen zu können. Wie wäre es mit einem Tag der offenen Säule?