Eine von Kindern und Jugendlichen gern genutzte Grünfläche beim Kleinfeldfriedhof soll zum Wohnquartier mit bis zu 60 Appartements werden. Deshalb verlegt Fellbach den Freizeit-Treffpunkt – und blockiert sich bei neuer Gewerbefläche.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Trotz murrender Anwohner will die Stadt Fellbach aus einer Grünfläche beim Kleinfeldfriedhof ein kleines Baugebiet machen. Das Areal am Rotkehlchenweg ist bisher ein beliebter Bolzplatz für Kinder aus dem Südteil der Stadt, auch für Flugübungen mit selbst gebastelten Drachen im Herbst oder den Schneemannbau im Winter ist die Fläche ein Treffpunkt. Selbst die nahe Waldorfschule weicht für Spiel, Sport und Spaß gerne auf das einst für eine Erweiterung des Friedhofs reservierte Gelände aus.

 

Als Nutzer sind Familien, Alleinstehende und Senioren im Blick

Das wird sich ändern, wenn künftig bis zu viergeschossige Wohnhäuser in der Baulücke stehen. Geplant ist, das von Rotkehlchenweg, Pfarrstraße und Bühlstraße begrenzte Areal für den Bau von etwa 60 Wohnungen zu nutzen. Das Gelände soll zum Bodenrichtwert an den Wohnbauträger gehen, der das beste Konzept für eine Bebauung vorlegt. Als Nutzer sind Familien, Alleinstehende und Senioren im Blick, als Auflage haben Fellbachs Stadträte mit großer Mehrheit festgelegt, dass fast ein Drittel der Appartements als mietreduzierter Wohnraum auf den Markt kommen sollen.

In dem Quartier ist ein kleiner Kinderspielplatz geplant. Der bisherige Bolzplatz soll verschwinden, aber nicht ersatzlos gestrichen werden. Nachgedacht wird über eine Verlegung der Spielwiese auf eine landwirtschaftlich genutzte Fläche jenseits der Bühlstraße. Exakt dieser neue Standort hatte in der Nachbarschaft große Bedenken ausgelöst – die Anwohner sorgten sich um die Sicherheit der Kinder, wenn der Weg zum Bolzplatz über die Ortsumgehung führt. Bei einem Vor-Ort-Termin mit Anwohnern im September waren immerhin 70 Bürger anwesend.

Dass Kinder und Jugendliche die Hauptstraße queren müssten, sei ein Wermutstropfen

Aus Sicht der Stadtverwaltung sind derartige Bedenken freilich unbegründet: an der Bühlstraße gibt es schließlich eine Ampelanlage als Überquerungshilfe. Das sahen bei der Entscheidung über das Baugebiet am Dienstag auch die Stadträte so: Für die CDU nannte Jörg Schiller die Verlegung der Bolzfläche vernünftig und bat die Anwohnerschaft, „nicht immer den Teufel an die Wand zu malen“. Für die SPD sprach Sebastian Bürkle zwar von einem emotionsgeladenen Thema, das viele Kindheitserinnerungen wecke, stufte die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum aber als wichtiger ein. Dass Kinder und Jugendliche die Hauptstraße queren müssten, sei ein Wermutstropfen, gehe aber auch beim Weg zum Max-Graser-Stadion. Auch Aileen Hocker (FW/FD) äußerte Verständnis für die Kritik der Anwohner, signalisierte aber gleichwohl die Zustimmung ihrer Fraktion – immerhin gebe es als Ersatz ein naturnahes neues Spielfeld. Einzig die Grünen tun sich laut Uli Kuhnle trotz der Schaffung von neuem Wohnraum mit dem Projekt schwer: „Mit der Bolzplatz-Verlegung werden wir einfach nicht warm“, sagte er. Den Blick auf die Autos der künftigen Bewohner am Rand des Kleinfeldfriedhofs richtete Hans-Ulrich Spieth (CDU): „Überall, wo wir bauen, fehlen nachher die Parkplätze“, bemängelte er.

Dass es im Südosten des Oberdorfs eine Spielfläche für Kinder und Jugendliche braucht, ist im Rathaus unstrittig

Neben der Querung der Bühlstraße hat der mit großer Mehrheit beschlossene Bolzplatz auf dem freien Feld durchaus noch andere Nachteile. Zum einen sind für die Spielfläche jenseits der Orts-umgehung auch diverse Fangzäune nötig, die Kosten schätzt die Stadt einschließlich der Planungsleistungen auf bis zu 360 000 Euro. Zum anderen schränkt die Belegung als Freizeitfläche die Gedankenspiele für neue Gewerbeflächen ein – will die Stadt auf dem Streifen entlang der Bühlstraße neben der künftigen Feuerwache auch noch Unternehmen ansiedeln, ist bereits ein Grundstück für die Entwicklung blockiert. Vor allem aber ist die Verlegung des Bolzplatzes keine schnelle Lösung. Weil eine bauliche Nutzung landwirtschaftlicher Flächen ausgeschlossen ist, muss nicht nur ein Bebauungsplan aufgestellt, sondern wohl sogar der Flächennutzungsplan geändert werden – bis das erledigt ist, gehen aus Sicht der Bauverwaltung mindestens zwei Jahre ins Land. Dass es im Südosten des Oberdorfs eine Spielfläche für Kinder und Jugendliche braucht, ist im Rathaus unstrittig. „Ein Bolzplatz ist zwingend erforderlich“, heißt es in der Ratsvorlage. Mit dem ebenfalls untersuchten Kompromissvorschlag, die Freifläche in abgespeckter Größe ins Wohnprojekt am Rotkehlchenweg zu integrieren, konnte sich die Lokalpolitik allerdings nicht anfreunden. Denn erstens wären deutlich weniger Wohnungen in dem Quartier möglich. Und zweitens würde eine Spielfläche in der Siedlung beim Stichwort Lärmschutz wohl schnell neue Probleme aufwerfen.