Eine Hauptprüfung am Körschtalviadukt ist nichts für Menschen mit Höhenangst. 50 Meter über dem Tal stehen die Arbeiter auf einem schmalen Steg.

Ostfildern - Von seinem Arbeitsplatz aus bieten sich Konrad Kammerer meist wunderbare Aussichten. An diesem trüben Morgen ist der Horizont zwar etwas vernebelt, aber eines ist dem 64-Jährigen auch heute vergönnt: ein atemberaubender Blick in die Tiefe. Denn der Bauwerksprüfer des Regierungspräsidiums Stuttgart inspiziert mit seinen Kollegen zurzeit das Körschtalviadukt im Kreis Esslingen, über das die Landesstraße von Ostfildern-Nellingen nach Neuhausen führt. Die alle sechs Jahre fällige Hauptprüfung soll gewährleisten, dass kleinere Schäden früh erkannt und beseitigt werden, bevor sie sich zu gravierenden Sicherheitsmängeln auswachsen können.

Systematisch schweift Kammerers Blick über die gewaltigen Betonbauteile. Schäden werden fotografiert und zunächst in ein Protokoll eingetragen. In einem Bericht werden später der Zustand und die Verkehrssicherheit des Bauwerks genau dokumentiert. Über ein in Deutschland einheitliches Programmsystem kann so die jeweilige Substanz bewertet und verglichen werden. "Diese Prüfberichte sind die Grundlage für die Sanierungsprogramme", sagt der Regierungspräsident Johannes Schmalzl. Allein für die Instandhaltung der Bauwerke an Landesstraßen seien im vergangenen Jahr 5,5 Millionen Euro im Regierungsbezirk Stuttgart investiert worden.

Kammerer ist ein Mann der Praxis


Was Konrad Kammerer bis jetzt von der rund 16 Jahre alten Körschtalbrücke gesehen hat, "ist top". Rostflecken am Geländer oder Kalkflecken beeinträchtigten schließlich nicht die Substanz. Kammerer ist ein Mann der Praxis. Bevor er 1994 Bauwerksprüfer wurde, war er 17 Jahre Bauleiter für den Bereich Brücken.

Auch Reinhold Frenzl kennt das Viadukt wie seine Westentasche. Für ihn ist die Fahrt mit dem Untersichtsgerät eine Reise in die Vergangenheit, denn der heutige Leiter des Referats Ingenieurbau beim Regierungspräsidium war seinerzeit der Projektleiter beim Bau der Umgehungsstraße Nellingen, zu der auch die Brücke gehört. Noch heute schwärmt er von "dem großartigen Projekt direkt vor der Haustür", bei dem im sogenannten Taktschiebeverfahren die Betonteile mit einem Gesamtgewicht von 17.000 Tonnen auf die acht Pfeiler geschoben worden sind.

Rund drei Tage dauert die Prüfung des 724 Meter langen und 55 Meter hohen Viadukts. Vom Geländer über die Brückenlager, die Abdichtungen und den Straßenbelag bis hin zu den Fahrbahnfugen der täglich von rund 30.000 Fahrzeugen genutzten Brücke wird alles untersucht. Mit einer Ausnahme: "Wenn auf einem Pfeiler ein Falkenpaar brütet, halten wir Abstand", sagt Kammerer. Im Juli geht der 64-Jährige in Rente. Dann hat er mehr Zeit, um seinem Hobby der Bergsteigerei nachzugehen. Denn auch im Ruhestand will er auf wunderbare Aussichten nicht verzichten.