Die Münchner Staatsanwaltschaft steht im Verdacht, bei den Ermittlungen im Milliardendebakel der bayerischen Landesbanktochter HGAA CSU-Spitzenpolitiker geschont zu haben.

München - Die Schuldfrage birgt hohe Brisanz. Gibt es eine strafrechtliche Verantwortung für den 3,7 Milliarden Euro teuren Fehlkauf der österreichischen Skandalbank Hypo Alpe Adria (HGAA) durch die BayernLB und wenn ja, wer muss sie tragen? Darüber wird nicht nur in der Öffentlichkeit und in der Politik, sondern nun auch in der Justiz massiv gestritten. Verschärft wird der Disput durch den Vorwurf, Staatsanwälte hätten bei ihren Ermittlungen im spektakulären Fall Spitzenpolitiker aus den Reihen der CSU geschont. Dies schreibt die „Süddeutschen Zeitung“ unter Berufung auf einen Beschluss der 6. Strafkammer des Landgerichts München unter Vorsitz von Richter Joachim Eckert.

 

Eine Passage des Schriftstücks hat es wahrlich in sich; diese Passage wurde von der Staatsanwaltschaft veröffentlicht. Es sei „nicht nachvollziehbar, wieso die Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen einzelne Mitglieder des Verwaltungsrats eingestellt, aber gegenüber allen Mitgliedern des Vorstandes wegen Untreue Anklage erhoben hat“, heißt es laut Staatsanwaltschaft auf Seite 44 des 81-seitigen Beschlusses.

Das klingt in der Tat wie eine heftige Rüge des Richters an die Adresse der Staatsanwälte. „Alles nur ein Missverständnis“, widerspricht eine Gerichtssprecherin. Richter Eckert habe keineswegs Versäumnisse bei den Ermittlungen anmahnen wollen. Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch sieht es weniger entspannt. „Dieser Bewertung tritt die Staatsanwaltschaft energisch entgegen“, sagt er zur umstrittenen Passage im Gerichtsbeschluss – und gibt tiefe Einblicke in Ermittlungsdetails.

Grünes Licht für zwei andere Klagepunkte

Ein Anfangsverdacht gegen CSU-Größen wie den ehemaligen Finanzminister Kurt Faltlhauser, Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein oder dem früheren CSU-Chef Erwin Huber habe sich nicht ergeben, weil der mit CSU-Politikern gespickte BayernLB-Verwaltungsrat als Aufsichtsgremium vom Bankvorstand seinerzeit „arglistig getäuscht“ worden sei, und zwar auf Anweisung des damaligen BayernLB-Chef Werner Schmidt.

Um den offenen Streit zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft einordnen zu können, muss man wissen, dass Eckerts Kammer dafür zuständig ist, die seit gut zwei Jahren vorliegende Klage der Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Vorstand der BayernLB zur Verhandlung zuzulassen oder eben nicht. Im Hauptanklagepunkt, dem mehrheitlichen Erwerb der HGAA im Mai 2007, sieht Eckert keinen hinreichenden Tatverdacht und will über diesen Vorwurf erst gar nicht verhandeln.

Nur für zwei andere Klagepunkte hat er grünes Licht gegeben. Das ist zum einen der Zukauf von HGAA-Aktien im Dezember 2007, worin Staatsanwälte Untreue zu Lasten der BayernLB im Umfang von gut 74 Millionen Euro sehen. Zum anderen ist es die angebliche Bestechung des verstorbenen österreichischen Spitzenpolitikers Jörg Haider auf dem Umweg von Sportsponsoring im Umfang von 2,5 Millionen Euro. Das wäre zwar immer noch schwerwiegend, aber eben nicht der Hauptvorwurf, der Kauf der HGAA.

Der Gerichtsbeschluss gleicht einer Ohrfeige

Es ist ausgesprochen selten, dass ein Gericht eine Klage in der Hauptsache abweist, sagen Juristen. Den Münchner Staatsanwälten muss der Beschluss des Gerichts wie eine Ohrfeige vorkommen. Den Vorwurf, die CSU geschont zu haben, weisen sie „auf das Energischste zurück“. Die Unterstellung sei falsch, es habe auch keine Versuche Dritter gegeben, die Ermittlungen zu beeinflussen. Um ihre Sicht zu belegen, geben die Staatsanwälte sogar zentrale Ermittlungsdetails preis.

Demnach habe der BayernLB-Vorstand in seiner internen Sitzung am 19. April 2007 von einem gesamten HGAA-Firmenwert von 3,2 Milliarden Euro gesprochen, zu dem noch ein Zuschlag beim Kauf größerer Aktienpakete zwischen zehn und 20 Prozent käme. Das sei in Unterlagen dokumentiert. Tags darauf seien dem Verwaltungsrat dagegen andere Daten präsentiert worden, die dann im Mai einen um 550 Millionen Euro überhöhten Kaufpreis der HGAA-Mehrheit ausgelöst hätten. Den Aufsehern sei ein HGAA-Firmenwert von 3,4 Milliarden Euro nebst 25 Prozent Aufschlag präsentiert worden. Auch das sei dokumentiert. Risiken und dafür nötige Abzüge beim Kaufpreis in Höhe von 250 Millionen Euro seien zudem vom Vorstand verschleiert worden.

Die Staatsanwaltschaft hat nun Beschwerde beim Oberlandgericht (OLG) München eingereicht. Dessen Richter sollen entscheiden, ob entgegen Eckerts Auffassung auch der Kauf der HGAA zur Verhandlung kommt. Das sei alles andere als ausgeschlossen, sagen Juristen in München. Es sei auch möglich, dass den Fall dann eine andere Kammer als die Eckerts verhandle, weil dieser Voreingenommenheit unterstellt werden könnte. Neue Ermittlungen gegen CSU-Politiker anweisen könne das OLG nicht.