Horst Seehofer leitet zum letzten Mal eine Vorstandssitzung und Markus Söder wird einstimmig zum nächsten Parteichef nominiert. In einem mehrmonatigen Prozess soll die geschwächte Regierungspartei erneuert werden.

München - Der lange Abschied des Horst Seehofer ist um ein weiteres „letztes Mal“ reicher: Diesen Montag hat der 69-Jährige seine letzte Vorstandssitzung bei der CSU geleitet. Kurz war’s – nicht einmal zwei Stunden – und schmerzlos offenbar auch; so viel ließ sich aus den Worten von Teilnehmern erschließen.

 

Seehofer selbst scheint sich nach zehn Jahren an der Spitze der Partei mit seinem Los arrangiert zu haben: „Auch die schönste Zeit geht einmal zu Ende“, sagte er vor der Sitzung, „und dieser Zeitpunkt ist für mich gekommen.“ Das historische Debakel bei der Landtagswahl am 14. Oktober, das Seehofer als Parteichef wenigstens mitzuverantworten hat, das redete er sich zum Abschied schön: „Zufrieden“, sagte Seehofer, sei er „mit der Stärke der CSU, die nach wie vor eine einmalige, einzigartige Erscheinung in der deutschen Parteienlandschaft“ sei.

Markus Söder wiederum, der als Ministerpräsident bereits den ersten Teil der Seehofer’schen Nachfolge angetreten hat und am Montag einstimmig auch für den Parteivorsitz nominiert worden ist, er revanchierte sich mit goldenen Worten: Horst Seehofer, sagte er, gehöre „zu den ganz Großen der CSU-Geschichte.“

Der Wunsch nach Seelenfrieden

Am 19. Januar soll Söder auf einem Sonderparteitag in München zum neuen CSU-Chef gewählt werden. Anders als bei der politischen Schwester CDU gibt es keine weiteren und schon gar keine Gegenkandidaten. „Unsere Partei“, diagnostizierte Söder am Wochenende im „Spiegel“-Interview, „wünscht sich nach einem harten Wahljahr Geschlossenheit und Seelenfrieden.“ Söder hat sich als Ministerpräsident auffallend schnell vom Rabauken zum Landesvater gewandelt, und jetzt will er nur noch nach vorne blicken.

Wer jetzt stärker darauf gedrängt hat, Ministerpräsidentenamt und Parteivorsitz wieder in eine Hand zu legen – CSU-Basis oder Söder –, ist schwer zu bestimmen. Jedenfalls herrscht in diesem Punkt schon mal Einigkeit. Allerdings wird Söder gewissermaßen nur auf Bewährung zum Parteichef gewählt: Die aktuelle Wahlperiode, von der Seehofer nur gut die erste Hälfte bestreiten durfte, geht bis zum regulären Parteitag im Herbst 2019. Dann wird der gesamte CSU-Vorstand neu bestimmt.

Davor aber hat Söder eine Phase „struktureller Erneuerung“ der Partei gesetzt. In der CSU sagt man, es gebe ja nicht nur die Niederlage bei der Landtagswahl aufzuarbeiten; auch jene bei der Bundestagswahl 2017 und sogar die bei der Europawahl 2014 harrten noch einer „tief greifenden Analyse“. Und bevor die nächste Europawahl im Mai 2019 zu einer weiteren Denkzettelwahl werde.

Europawahl: Hoffnung und Zitterpartie

Es geht um mehr Mitsprache der Basis; es geht um „mutigere“ Entscheidungen zugunsten einer Beteiligung von Frauen an politischen Ämtern; es geht um eine Auseinandersetzung mit dem „Lebensgefühl der heutigen Bayern“, das man bei der Landtagswahl nicht getroffen habe. Da seien die Grünen, heißt es in oberen Parteikreisen, entschieden besser gewesen, während man selber, „gefesselt“ in alten Strukturen, nicht beweglich genug aufgetreten sei. „Ehrlich“ müsse man sich bei der Wahlanalyse machen, heißt es, und dem „Spiegel“ sagte Söder: „Es kommt nicht nur darauf an, die Lufthoheit über den Stammtischen zu halten, sondern auch wieder Prägekraft in intellektuellen Diskussionen zu entfalten.“ Auch eine „Denkfabrik mit zehn bis 15 Philosophen, Künstlern und Intellektuellen“ will Söder einrichten.

Für den Diskussionsprozess zu ihrer Erneuerung hat die CSU einige Monate angesetzt; bei laufendem Verfahren muss sie auch noch möglichst überzeugend den Europa-Wahlkampf stemmen, wobei sie mit Manfred Weber als dem gemeinsamen Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei zumindest schon eine gewichtige Personalfrage erledigt hat. Noch positiver, denken sie in der Partei, „hätte das für uns nicht laufen können.“ Ein Bayer demnächst womöglich an der Spitze der Europäischen Kommission: das ist eine geradezu berauschende Zielvorstellung.

Und Horst Seehofer spielt in diesem Zukunftskalkül keine Rolle mehr – genauso wenig wie die Frage, ob oder wie lange er noch Bundesinnenminister bleibt. Es heißt, er wolle sich nun noch von allen möglichen CSU-Gliederungen als Parteichef persönlich verabschieden. Aber schon bei der Klausurtagung der CSU-Fraktion in Kloster Banz, wenige Tage vor dem formellen Rücktritts-Parteitag, ist ein Auftritt Seehofers nicht mehr vorgesehen.