Wie die Stuttgarterin Anna-Lena Grüne die neue Teamkollegin der Olympiasiegerin und Beachvolleyball-Ikone Kira Walkenhorst wurde.

Düsseldorf/Stuttgart - Der Sport schreibt auch deshalb so schöne Geschichten, weil sich in einem Moment alles verändern kann – das Ziel, der Plan, die Perspektive. Bei Anna-Lena Grüne war es der Moment, in dem ihr Handy klingelte. Am anderen Ende meldete sich Kira Walkenhorst, das war vor elf Tagen. Seitdem sind Grüne (18), die als eines der größten deutschen Talente im Beachvolleyball gilt, und Walkenhorst (29), die Ikone, ein Team. „Bis dahin habe ich Kira nur aus TV-Übertragungen gekannt“, sagt die junge Abwehrspielerin, die am Stützpunkt in Stuttgart trainiert, „ich erlebe gerade eine völlig andere Welt.“ Was natürlich vor allem an ihrer neuen Partnerin liegt.

 

Lesen Sie hier: Das olympische Motto der Regio-Stars heißt „Jetzt erst recht!“ Kira Walkenhorst hat alles gewonnen, was es im Sand zu gewinnen gibt. Den EM-Titel 2015 und 2016, Olympia-Gold 2016, den WM-Titel und die World-Tour 2017, stets an der Seite von Laura Ludwig. Dann ging das Traum-Duo auseinander. Erst wurde Ludwig schwanger, dann spielte der Körper von Walkenhorst nicht mehr mit. Jahrelang hatte sie nur unter Schmerzen geblockt und geschmettert, neun Operationen wegstecken müssen. Im Januar 2019 verkündete sie das Karriere-Aus. Schulter, Rücken, Knie – die Qual war zu groß. Erst eine Therapie bei einem Essener Heilpraktiker hat ihr geholfen. Als die Schmerzen gingen, kehrten Mut und Motivation zurück. Sie arbeitete mit Melanie Gernert hart an ihrem Comeback. Dann kam die Corona-Krise.

Drillinge statt Drill im Sand

Maria Walkenhorst, die Ehefrau von Kira, hat im Herbst 2018 die Drillinge Emma, Pepe und Mo zur Welt gebracht. Als in der Pandemie nicht nur sämtliche Turniere abgesagt wurden, sondern auch die Kitas in Hamburg schlossen, war an Sport im Hause Walkenhorst nicht mehr zu denken: „Zu ein paar Stabi-Übungen hat es gereicht, zu mehr nicht.“ Folglich schaute sich Gernert nach einer neuen Partnerin um, und die Olympiasiegerin stand, als in ihr Leben wieder so etwas wie Normalität eingekehrt war, ohne Abwehrspielerin da. Sie startete eine medienwirksame Suche in den sozialen Netzwerken, woraufhin ihr Jörg Ahmann, der 2000 in Sydney Olympia-Bronze holte und heute U-23-Bundestrainer am Stützpunkt in Stuttgart ist, einen guten Tipp gab. Und die Telefonnummer von Anna-Lena Grüne.

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Fünf gemeinsame Trainingstage hatten sie seither, nun stehen zwei Einsätze auf der nationalen Tour an. Ab diesem Freitag in Düsseldorf, dazu noch Mitte August in Hamburg. Ihr Ziel ist Timmendorfer Strand, dort findet Anfang September die Deutsche Meisterschaft statt – zwei Jahre nach Walkenhorsts letztem Wettkampf. Ob es zur Qualifikation reicht, ist offen. Sicher ist: Der Aufmerksamkeitsfaktor wird hoch sein. So oder so. „Das Medieninteresse ist enorm, das ist ganz schön viel auf einmal“, sagt Anna-Lena Grüne, die sich eines vorgenommen hat: „Nicht in Ehrfurcht zu erstarren.“

Athletik gleicht die Körpergröße aus

Das würde auch gar nicht passen zur nationalen U-20-Meisterin. „Sie ist eine richtig coole Socke, und sie wird mich sicher mitziehen, wenn mir die Körner ausgehen“, sagt Kira Walkenhorst, einst die beste Blockerin der Welt. Und Jörg Ahmann meint über die nur 1,74 Meter große Abwehrspielerin: „Was Sprunghöhe und Schlagkraft angeht, ist sei eine Granate, dazu technisch sehr stark. Es ist schön, dass sie nun die Chance bekommt, an der Seite an der Top-Partnerin zu zeigen, was sie kann.“

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Das hat Grüne vor, und zugleich ist die Abiturientin weiterhin wissbegierig. „Ich kann von Kira Walkenhorst natürlich super viel lernen“, sagt die Linkshänderin, die im Winter auch im Zweitliga-Team von Allianz MTV Stuttgart spielt, „allein die Ruhe, die sie ausstrahlt, hilft mir schon unglaublich weiter.“ Jetzt – und auch in der Zukunft? Das Projekt Grüne/Walkenhorst ist vorerst befristet auf diesen Sommer, die Verlängerung aber ausdrücklich nicht ausgeschlossen. „Längerfristig mit Kira arbeiten zu können“, meint Anna-Lena Grüne, „wäre für mich natürlich eine krasse Möglichkeit.“

Was den Moment, in dem das Handy klingelte, nur umso wertvoller machen würde.