Der Zwist zwischen dem Beachvolleyball-Duo Karla Borger/Margareta Kozuch und dem nationalen Verband spitzt sich zu – mittlerweile ist auch ein Rechtsstreit nicht mehr ausgeschlossen.

Stuttgart/Rio de Janeiro - In Rio de Janeiro erlebte Karla Borger einige der schönsten Tage ihrer Karriere. Das war im Sommer 2016, an der Copacabana, beim olympischen Beachvolleyball-Turnier an der Seite von Britta Büthe. Derzeit erleidet Karla Borger am Zuckerhut einen der bittersten Momente ihrer Laufbahn. Weil dort ein topbesetztes Turnier der World-Tour läuft – und sie zusammen mit ihrer neuen Partnerin Margareta Kozuch zuschauen muss. Das Duo ist mittendrin, aber nicht dabei. Es ist der vorläufige Tiefpunkt im Streit von Borger/Kozuch mit dem Deutschen Volleyball-Verband (DVV). „Die Dinge sind nicht nur kurz davor, zu eskalieren“, sagt ihr Projektleiter Reiner Marwitz, „sie eskalieren schon.“

 

Aus Sicht der Athletinnen liegt das vor allem am DVV. Der Verband hat die Struktur im Beachvolleyball komplett geändert, alle Aktivitäten in Hamburg gebündelt – und ist überzeugt, dass dieses zentralistische System funktioniert. „Das ist ein Paradigmenwechsel, der erste Olympia-Zyklus dient der Entwicklung“, sagt Vizepräsident Andreas Künkler, „aber schon jetzt ist klar: Am Stützpunkt in Hamburg können wir die Athleten optimal fördern. Es herrscht dort eine echte Aufbruchstimmung.“

Allerdings nicht bei allen, es gibt auch Ausnahmen: Die Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst leben zwar in Hamburg, trainieren aber außerhalb des DVV-Systems. Auch Chantal Laboureur (Stuttgart) und Julia Sude (Friedrichshafen) bekommen vom Verband wohl einen Kompromiss genehmigt, sie müssen während der Saison nur zwei fest definierte Trainingsphasen in Hamburg absolvieren. Eine Insellösung wollten auch Borger (Stuttgart) und Kozuch (Mailand), doch der Verband lehnte ab. Ein zentralistisches Fördersystem ohne die drei besten Frauen-Teams? Das wäre doch zu viel gewesen.

„Es stehen zwei Existenzen auf dem Spiel“

Also sprach der DVV dem neuen Duo ohne Trainingseinheiten in Hamburg kurzerhand die sportliche Perspektive ab. Das Duo zog trotzdem nicht an die Elbe, bereitete sich mit eigenen Trainern und Betreuern auf Teneriffa vor. Daraufhin verweigerte der Verband den beiden Beachvolleyballerinnen den Status eines Nationalteams. Wer nun dachte, dies wirke sich vor allem finanziell aus, lag nicht ganz richtig. Die Folgen sind noch gravierender. Und war beim Turnier in Rio gut zu beobachten.

Für das Turnier meldete der DVV neben Ludwig/Walkenhorst, Laboureur/Sude und dem Nationalteam Victoria Bieneck/Isabel Schneider auch das ordnungsgemäß in Hamburg trainierende Perspektivduo Nadja Glenzke/Julia Großner – stattdessen wurden Borger/Kozuch, die in der Weltrangliste besser stehen und zuletzt beim Turnier in Münster sogar die Olympiasiegerinnen geschlagen haben, wieder ausgeladen. Auf eine interne Qualifikation, wie es sie in anderen Nationen vor Rio gab, verzichtete der deutsche Verband. „Über die Abmeldung waren wir überrascht und enttäuscht“, sagt Angelina Hübner, Projektleiterin im Team Borger/Kozuch, „wir haben vom DVV bis heute keine Begründung erhalten. Und auch keine Erklärung, wer die Entscheidung getroffen hat.“

Da der Flug nach Brasilien und das Hotel in Rio bereits gebucht waren, reisten Borger und Kozuch trotzdem an. Sie nutzen ihre Zeit am Zuckerhut nun zu Trainingseinheiten auf hohem Niveau, studieren zudem die Mannschaften, gegen die sie lieber gespielt hätten. Und überlegen, was sie tun können, um sich eine ähnliche Lage in Zukunft zu ersparen. „Wir haben geschaut, wie unsere rechtlichen Möglichkeiten sind“, erklärt Hübner, „es wäre in unser aller Interesse, wenn es nicht zu einem Rechtsstreit käme, aber wir setzen uns mit allen Lösungen auseinander. Denn es geht hier nicht nur um Sport, es stehen zwei Existenzen auf dem Spiel.“ Weil nur Geld verdienen kann, wer Turniere bestreitet. Was natürlich auch der DVV weiß.

Gibt es noch ein konstruktives Gespräch mit dem Verband?

Andreas Künkler will sich nicht zum Fall Borger/Kozuch äußern („Sie haben uns eine juristische Auseinandersetzung offeriert, das ist ein schwebendes Verfahren“), verteidigt aber die Nominierung für das Turnier in Rio: „Wir haben Leistungskriterien angelegt und berücksichtigt, dass wir laut Leistungssportreform des Deutschen Olympischen Sportbundes verpflichtet sind, langfristig zu fördern.“ Deshalb ging der vierte Startplatz an Glenzke/Großner. Und auch, weil der Verband laut Generalsekretär Jörg Ziegler seine Startplätze eben „bevorzugt an Nationalteams“ vergibt. Ob diese Vorgehensweise juristisch haltbar wäre? Will Künkler nicht kommentieren. „Wir handeln nach dem Gebot der Fairness, deshalb sind Rechtsstreitigkeiten aus unserer Sicht immer überflüssig“, erklärt Künkler, „allerdings würde auch ein Rechtsstreit das Fördersystem in Hamburg nicht gefährden. Es wird Spieler- und Trainer-Generationen überdauern.“

So weit wollen Borger/Kozuch nicht denken. Für das Duo ist wichtig, sich entwickeln zu können – und Turniere zu spielen. Für den Wettbewerb in Moskau (31. Mai bis 4. Juni) sind sie vom Verband gemeldet worden. Nun hoffen sie, dass es dabei bleibt. Und dass es doch noch ein konstruktives Gespräch mit dem DVV geben wird.