Zeithistoriker arbeiten derzeit die Geschichte der Landesministerien in der NS-Zeit auf. Projektleiter Wolfram Pyta bat StZ-Leser, nach privaten Dokumenten von Angehörigen zu forschen – mit Erfolg. Und die Suche geht weiter.

Stuttgart – Das von der Landesregierung angestoßene Forschungsprojekt zur „Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus“ stößt auf reges Interesse. Vor einer Woche hatte sich der Zeithistoriker Wolfram Pyta, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart und einer der Projektleiter, im Interview der Stuttgarter Zeitung mit der Bitte an unsere Leser gewandt, nach privaten Dokumenten und Selbstzeugnissen Ausschau zu halten, sofern sie in ihrer Familie Angehörige hatten oder noch haben, die während der nationalsozialistischen Herrschaft in der Landesverwaltung tätig waren. Der Aufruf hatte Erfolg. Zahlreiche Leser haben sich bereits mit Fundstücken aus der Familiengeschichte gemeldet.

 

Pytas besonderes Interesse gilt Tagebüchern, Briefen und anderen schriftlichen Überlieferungen, die Einblicke in die persönliche Situation, Denkweise und Handlungsmaximen der damaligen Beamten erlauben. „Solche Dokumente gibt es praktisch nur im Privatbesitz“, sagte der Wissenschaftler im StZ-Interview. Dabei geht es ihm keineswegs nur um höhere Beamte, sondern auch um Mitarbeiter in den mittleren und unteren Verwaltungsebenen. In welcher Weise wurden die Beamten geprägt? Waren sie in Vereinen aktiv? Waren sie kirchlich engagiert? Welche Vorstellungen hatten sie von Staat und Gesellschaft, wie gestalteten sie ihr privates Leben?

Menschen aus Fleisch und Blut

Mit den reinen Ministerialakten, sagt Pyta, käme man nicht weit genug. „Wir möchten nicht nur dem bürokratischen Abziehbild von Verwaltung nachspüren, also dem im Schutz der Anonymität von Verwaltungsvorgängen Agierenden, sondern dem ‚alter ego’, dem mit Wertüberzeugungen ausgestatteten Beamten aus Fleisch und Blut.“ An der Historikerkommission, geleitet von Wolfram Pyta sowie dem Heidelberger Zeithistoriker Edgar Wolfrum, sind etliche weitere Professoren und andere Wissenschaftler beteiligt. Das Projekt wird von der Baden-Württemberg-Stiftung mit 1,5 Millionen Euro finanziert.