Beamtenbund Baden-Württemberg Kretschmann: Geiz gegenüber Beamten sieht anders aus

Winfried Kretschmann tritt als Regierungschef letztmalig auf dem Stuttgarter Sommerfest des Beamtenbundes auf. Foto: Schiermeyer

Das Land habe viel für die Staatsdiener getan, redet Ministerpräsident Kretschmann dem Beamtenbund ins Gewissen. Doch die Gewerkschaft ist mit dem Erreichten noch nicht zufrieden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Es war keineswegs immer gewiss, dass er kommt – zu seinem letzten politischen Sommerfest beim Beamtenbund Baden-Württemberg (BBW). Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich manche Kritik zu Herzen genommen, insbesondere an der neuen Laufbahn des höheren geistes- und sozialwissenschaftlichen Dienstes. Der BBW lehnt sie ab und zweifelt an ihrer Zulässigkeit. Es knirschte wie lange nicht.

 

Rosenberger bemüht sich um einen reinen Tisch

Der Regierungschef war von der Mäkelei so sehr getroffen, dass der oberste Beamtenvertreter Kai Rosenberger als Gastgeber erst einmal reinen Tisch machen will: „Hin und wieder gab es Differenzen“, sagt der Landesbundvorsitzende. „Sie sind oft in unseren unterschiedlichen Funktionen begründet.“ Wenn seine Ablehnung der neuen Laufbahn dazu geführt habe, „dass man im Staatsministerium den Gedanken hatte, ich würde die Amtsführung des Ministerpräsidenten diskreditieren, dann tut mir das leid“, bekennt er. „Es war nie etwas Persönliches – das gegen Ende Ihrer Amtszeit anzumerken, ist mir wichtig.“

Auch bei Kretschmann hallt der Streit nach, weshalb er vor ausgesuchtem Publikum führender Verbands- und Verwaltungsvertreter nachsetzt: „Wir bilden an unseren Universitäten hervorragende Leute aus, die dann als Beamtinnen und Beamte in unseren Ministerien und Regierungspräsidien oder in den Landratsämtern arbeiten.“ Für Geisteswissenschaftler, Religionswissenschaftler, Historiker oder Kulturwissenschaftler hingegen habe es bis dahin keine Laufbahn gegeben. „Da war eine Lücke, die meiner Ansicht nach nicht in die moderne Verwaltung passt – und die haben wir geschlossen.“

„Ein Projekt Abendsonne gibt es nicht“

Über eine „Operation Abendsonne“ hatte die FDP seinerzeit gespottet, dies im Verdacht, hier könnten noch langjährige Mitstreiter versorgt werden. „Ein Projekt Abendsonne gibt es nicht“, kontert Kretschmann, in mildes Abendlicht getaucht.

So liegt Abschiedsstimmung über diesem Fest, denn auch der Ministerpräsident sieht den Zeitpunkt gekommen, Bilanz einer zuweilen hoch komplizierten Beziehung zu ziehen. „Das war nicht immer das reinste Vergnügen mit dem Beamtenbund“, bekennt er. Dies sei kein Wunder. „Wir sind ja schließlich der Arbeitgeber und Sie der Arbeitnehmervertreter.“ Die Ouvertüre im März 2012, mit einem Trillerpfeifenkonzert und Vuvuzela-Getöse in der Liederhalle als Reaktion auf grün-rote Sparpläne, schrillt immer noch in seinen Ohren. „Das war eine markante Erfahrung zu Beginn meiner Dienstzeit.“ Doch ein Ministerpräsident sei nun mal „dafür zuständig, dass der Wohlstand seines Landes erhalten bleibt – Ende der Durchsage“.

Was die Regierung den Beamten Gutes getan hat

Als erwarte er am Ende doch mehr Dankbarkeit, zählt Kretschmann auf, was das Land den Staatsdienern alles hat zugute kommen lassen. Allein die Übertragung des jüngsten Tarifabschlusses habe im vorigen und diesen Jahr Mehrkosten von rund 2,3 Milliarden Euro verursacht. „Das sind keine Peanuts.“ Dass die Regierung gegenüber ihren Beamten geizig sei, wie ihm vom BBW vorgeworfen wurde, will er nicht akzeptieren. „Geizen mit den Gaben sieht anders aus.“

Musterklagen gegen das Land in Vorbereitung

Rosenberger ist nicht der Typ für die ultimative Lobpreisung: Zunächst zählt auch er gut ein halbes Dutzend Leistungen des Landes auf, von denen seine Mitglieder erheblich profitiert haben. Sehr dankbar sei er dafür, sagt er mehrfach – um dann doch wieder auf das Trennende zu kommen. Da ist vor allem die Bezahlung. „Jede Beamtin und jeder Beamte muss sich jederzeit sicher sein, dass die Besoldung, die er gewährt bekommt, zumindest verfassungskonform ist.“ Dass sich das Finanzministerium weigere, die aktuellen Widersprüche gegen die Alimentation bis zu einer höchstrichterlichen Rechtsprechung weiter ruhend zu stellen, zwinge Benachteiligte, ihren eigenen Dienstherrn zu verklagen. Via Verbandsmagazin werden bereits Mitglieder für Musterklagen gesucht.

Über ganz aktuelle Konfliktherde, das vom BBW geforderte Lebensarbeitszeitkonto und die Verkürzung der Wochenarbeitszeit, gehen beide hinweg, weil darüber wieder verhandelt wird. „Da sind wir jetzt noch mal richtig dran“, sagt Kretschmann. „Mal sehen, wie wir da weiterkommen.“ Letztlich zeigt sich der Ministerpräsident versöhnlich: „Zum Wohle des Ganzen haben wir die Dinge zum Schluss immer wieder in eine gute Spur gebracht.“ Konrad Adenauer zufolge müsse sich ein Politiker zuerst unbeliebt machen, um ernst genommen zu werden. „Ich habe mich vom Beamtenbund immer ernst genommen gefühlt“, sagt Kretschmann.

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