Immer mehr Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sehen sich Hass und Wut vieler Menschen ausgesetzt. Der Beamtenbund fordert die Regierenden auf, stärker gegen das wachsende Misstrauen in die staatlichen Institutionen vorzugehen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Köln - In Deutschland greift eine Unsitte immer mehr um sich: verbale und tätliche Angriffe auf Vertreter des öffentlichen Dienstes – auf Rettungskräfte, Feuerwehrleute oder Amtsmitarbeiter etwa. Ein besonders krasser Fall ereignete sich in der Silvesternacht in Hamburg-Barmbek, als Polizisten mit Maschinenpistolen die Rettungskräfte zum Einsatz begleiten mussten, weil ein Mob die Hilfe für einen niedergestochenen Mann verhindern wollte.

 

Aus Sicht des Beamtenbundchefs Ulrich Silberbach werden diese Mitarbeiter „zunehmend als Freiwild betrachtet“, wie er bei der traditionellen Tagung in Köln sagte. „Wer die Bediensteten angreift, greift uns alle an“, betonte er. Für den DBB-Vorsitzenden ist die wachsende Aggression vieler Menschen die „Rache der schwarzen Null“. Nach „drei Dekaden neoliberaler Attacken auf den Staat“ verlören die Menschen das Vertrauen in dessen Institutionen – „man glaubt nicht mehr, dass sie in der Lage sind, die Probleme zu lösen“.

Die Freude, Staatsdiener zu sein, schwindet

Gemeint sind etwa der „Bildungs-, Pflege- und Digitalisierungsnotstand“, Wohnungsnot, die Energiewende, Integration oder Extremismus. „Wenn jeder das Gefühl hat, mehr oder weniger allein klarkommen zu müssen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn grundlegende Werte wie Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Toleranz mehr und mehr verschwinden.“ Der Bürger lasse seinen Frust einfach an jenen ab, die ihm als Repräsentanten des gefühlten Staatsversagens gegenübertreten. Dann schwinde zugleich auch die Freude, „staatlicher Diener einer Gesellschaft zu sein, der diese Werteorientierung abhanden kommt“. Silberbach fordert als Gegenmittel ein „Sofortprogramm für einen starken und handlungsfähigen Staat“ und mahnte die Politik: „Handeln Sie, solange Sie noch das Heft des Handelns in der Hand haben.“

All dies hätte er gerne dem Bundesinnenminister Horst Seehofer direkt mitgeteilt, doch war der CSU-Politiker als Aufklärer der Datenklauaffäre in Berlin gebunden. An dessen Stelle bemühte sich Staatssekretär Stephan Mayer um das Wohlwollen der Beamtenvertreter. Hatten die Bundesinnenminister in den Vorjahren stets die Erwartungen des Beamtenbundes gebremst, so verkündete Mayer diesmal nur erfreuliche Botschaften. Demnach will das Innenministerium seinen Teil zu einem attraktiveren öffentlichen Dienst beitragen.

Besoldungsstruktur wird modernisiert

So kündigte er eine Modernisierung der Besoldungsstruktur auf Bundesebene an, zu dem in Kürze ein Gesetz vorgelegt werden soll. Da geht es etwa um höhere Erschwerniszulagen für Bundespolizisten, die Abschiebeflüge begleiten, sowie für Auslandsverwendungen – ferner um höhere Kinderzuschläge und Anwärterbezüge sowie um Personalbindungsprämien speziell in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. Zudem soll die Arbeitsbelastung in stark betroffenen Bereichen wie Migration, Digitalisierung und Sicherheit verringert werden, und ebenso will man die vielen Überstunden durch Lebensarbeitszeitkonten in den Griff kriegen. Die Forderung des Beamtenbundes nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit beantwortete Mayer immerhin mit der Feststellung: „Die 41 Wochenstunden sind für das Bundesinnenministerium nicht in Stein gemeißelt.“ Auch dies hatte in den Vorjahren noch ganz anders geklungen.

Auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sprach den „Autoritätsschwund“ des Staates an und warnte: Alle Studien würden zeigen, dass Gewalt in der Sprache irgendwann auch in Gewalt im Kopf umschlagen würde. Infolge der mangelnden Attraktivität vieler Justizberufe für den Nachwuchs kündigte sie eine „Kampagne für den Rechtsstaat“ an. Diese soll mehr als fünf Millionen Euro kosten.