Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Eva Lohse, fordert eine Wohnsitzauflage auch für anerkannte Asylbewerber. Die Bundesregierung prüft diesen Plan. Doch die Bundesagentur für Arbeit widerspricht.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Köln - Die Bundesregierung prüft, ob sie künftig auch anerkannten Asylbewerbern den Wohnsitz vorschreiben soll, um die Belastungen gleichmäßiger auf die Regionen zu verteilen. Damit käme sie dem Deutschen Städtetag entgegen, deren Präsidentin Eva Lohse bei der Beamtenbund-Tagung in Köln mit Nachdruck für die begrenzte sogenannte Wohnsitzauflage plädierte. Die Residenzpflicht solle solange gelten, „bis wir die Menschen für den Arbeitsmarkt ertüchtigt haben“, sagte sie.

 

Weil die Flüchtlinge wie von einem Magneten angezogen in die Ballungsräume gingen, drohe diesen die Überforderung. Zudem könnten viele von ihnen in der Obdachlosigkeit landen, argumentiert Lohse. Auch in „peripheren Lagen“ ließe sich leben und Arbeit finden. Durch eine Wohnsitzauflage würde zwar die Freizügigkeit eingeschränkt, doch könne die Regelung verfassungsfest gemacht werden. „Die Situation der Städte erlaubt es.“ Lohse stellt sich auf eine lange politische Debatte ein.

Kaum Aussicht auf Arbeit in ländlichen Regionen

Gegner sehen in einer Residenzpflicht bei einem rechtmäßigen Aufenthaltsstatus einen Verstoß gegen EU-Recht. Praktische Gegenargumente brachte Detlef Scheele von der Bundesagentur für Arbeit vor. „Kritisch“ sei es, Flüchtlinge etwa in Frankfurt/Oder oder anderen entvölkerten Regionen des Ostens festzuhalten. „Arbeit werden sie dort nicht finden.“ Daher gebe es einen „schwer auflösbaren Zielkonflikt“.

Obwohl CDU-Kanzleramtsminister Peter Altmaier und SPD-Chef Sigmar Gabriel die Wohnortpflicht begrüßt hatten, sagte Baden-Württembergs Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) in Köln, er habe wegen des Eingriffs in die Freizügigkeit „erhebliche Zweifel“ am Gelingen des Plans.

Die Städtetags-Präsidentin hatte zuvor beklagt, dass sich viele Kommunen weiter verschulden müssten, um die Integration der Flüchtlinge zu finanzieren – zumal manche Länder die Bundesmittel nicht eins zu eins weiterreichten oder aber im Gegenzug Landeszuschüsse kürzten. Das Geld sei in großen Zentren „definitiv nicht auskömmlich“. Auch personell seien die Kommunen an der Belastungsgrenze. Die nun benötigten Kräfte seien gerade in den Ballungsräumen schwierig zu finden.

Bis zu 200 000 Kräfte fehlen

Beamtenbund-Vize Ulrich Silberbach bezifferte den Personalbedarf im öffentlichen Dienst bundesweit auf 200 000 Stellen. Allein 120 000 bis 150 000 weitere Beschäftigte würden wegen der Flüchtlinge im kommunalen Dienst benötigt. Gefordert seien aber „keine Hilfssheriffs“, sondern qualifiziertes Personal. „Das braucht seine Zeit.“ Die Qualitätsstandards müssten eingehalten werden, mahnte Silberbach. Damit widersprach er auch dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der am Vortag für mehr Flexibilität bei der Personalanwerbung geworben hatte.

Friedrich setzte sich in diesem Zusammenhang auch für mehr Migranten im öffentlichen Dienst ein – bisher sei da nur ein kleiner Schritt gemacht worden. Immerhin seien in Baden-Württemberg 27 Prozent der Bürger ausländischer Herkunft.

Der Bundesratsminister verwies zudem auf die Erfolge des Landes bei der Rückführung von Flüchtlingen: Von Januar bis November 2015 seien 5300 Menschen freiwillig zurückgekehrt – doppelt so viele wie 2014. Zudem konnte die Zahl der (vornehmlich auf den Balkan) abgeschobenen, abgelehnten Asylbewerber von 1211 (2014) auf 2432 im Vorjahr um hundert Prozent gesteigert werden.