In der Täuschungsaffäre an der Beamtenhochschule in Ludwigsburg gibt es mehr Klarheit und erste Konsequenzen. Die zwei Beteiligten legten Geständnisse ab und wurden vom Dienst suspendiert. Auch der Tatablauf wird deutlicher.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - In der Täuschungsaffäre an der Beamtenhochschule Ludwigsburg gibt es zunehmend Klarheit und erste Konsequenzen. Der betroffene Professor der Steuerfakultät und eine angehende Finanzbeamtin sind inzwischen vom Dienst suspendiert worden. Dies wurde hochschulintern ohne Nennung von Namen mitgeteilt; der Professor soll sein Büro bereits geräumt haben. Zugleich haben beide weitgehende Geständnisse abgelegt, die größtenteils übereinstimmen. Dies erfuhr unsere Zeitung verlässlich aus Hochschulkreisen. Demnach haben sie sich gemeinsam Zugang zu den Prüfungsaufgaben verschafft, so dass sich die Studentin vorab auf die Laufbahnprüfung vorbereiten konnte. Dabei war aufgefallen, dass sie fast wörtlich die Lösungsskizzen wiedergegeben hatte. Das zuständige Finanzministerium wollte sich aus Gründen des Personaldatenschutzes nicht zu der Entwicklung äußern.

 

Die Geständnisse sollen maßgeblich unter dem Druck der Beweislast zustande gekommen sein. Inzwischen bestätigten sich Informationen unserer Zeitung, wonach ein dem Professor ausgehändigter Generalschlüssel eine wichtige Rolle bei dem Vorgehen spielte. Der Dozent und die Studentin sollen damit gemeinsam in einen verschlossenen Raum an der Hochschule gelangt sein, in dem die Prüfungsaufgaben aufbewahrt waren. Sie hätten den entsprechenden Umschlag geöffnet, Aufgaben und Lösungen fotografiert und ihn dann wieder verschlossen, wird berichtet. Den bereits ausgefüllten Bogen soll die Studentin dann in die Prüfung mitgebracht haben. Unklar ist allerdings noch, wie sie an das passende Papier gelangte. Um Schummeleien zu vermeiden, werden für jede Prüfung Bögen in einer anderen Farbe ausgegeben; zuständig dafür ist die Druckerei. Aus dieser soll das Papier vorab herausgegeben worden sein – möglicherweise gegen Geld, wie in Hochschulkreisen vermutet wird.

Rätselraten um Anti-Schummel-Papierbögen

Die Geständnisse sollen inzwischen auch der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vorliegen. Diese hatte Ermittlungen wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen gegen den Professor und wegen Anstiftung dazu gegen die Studentin aufgenommen. In diesem Zusammenhang wurden auch Wohnungen sowie ein Büro in der Hochschule durchsucht. Eine Behördensprecherin teilte mit, derzeit würden die dabei sichergestellten Daten und Beweismittel gesichtet und ausgewertet.

Professor hatte jeden Verdacht dementiert

Von dem Professor, einem Juristen, war auf Anfrage keine Stellungnahme mehr zu erhalten. In einer ersten Reaktion hatte er Ende September gegenüber unserer Zeitung betont, er habe sich „jederzeit regelkonform verhalten“. Daher verwahre er sich „entschieden dagegen, dass mein Name mit einem angeblichen Täuschungsversuch in irgendeinen Zusammenhang gebracht wird“. In Ludwigsburg wird inzwischen nicht mehr damit gerechnet, dass er an die Beamtenhochschule zurückkehrt. Bei den Querelen um die frühere Rektorin Claudia Stöckle war der Dozent eine Schlüsselfigur; auch die von der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) eingesetzte Kommission hatte ihn als besonderen Unruheherd eingestuft. So hatte er eine später als unbegründet eingestufte Strafanzeige gegen Stöckle erstattet. Deren Prorektorin fühlte sich von ihm so bedroht, dass sie sich ablösen ließ; Studenten sahen sich massiv unter Druck gesetzt. All dies sei folgenlos geblieben und habe bei dem Professor wohl den Eindruck gefestigt, er habe keinerlei Konsequenzen zu befürchten, hört man in Hochschulkreisen.

Die betroffene Studentin wehrt sich inzwischen gerichtlich gegen ihre Suspendierung, die sie als zu einschneidende Konsequenz ansieht. Beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe liegen entsprechende Klagen von ihr vor, wie eine Gerichtssprecherin bestätigte. Mit Blick darauf habe die zuständige Oberfinanzdirektion Karlsruhe nun zugesichert, dass die junge Frau wieder an den Vorbereitungen für eine Wiederholungsprüfung – dem sogenannten Crashkurs – teilnehmen darf.

Irritationen bei ehrlichen Studenten

Die Hochschule hatte offiziell einen „Täuschungsfall“ festgestellt und die Prüfung zunächst als „nicht bestanden“ gewertet. Die Studentin werde daher nicht zur Prüfung zugelassen, hieß es in einer Mitteilung auf der Homepage. Als sie dann doch an dem „Crashkurs“ teilnahm, führte dies zu erheblichen Irritationen bei anderen Studierenden. Dies sei unfair gegenüber jenen, die nicht schummelten, hieß es.

Das Finanzressort betonte, man lege grundsätzlich großen Wert auf gleiche Chancen. Die Frage, ob die junge Beamtin eine Zukunft in der Steuerverwaltung habe, beantwortete ein Sprecher allgemein: Das „Vertrauen in die objektive und rechtmäßige Aufgabenerfüllung“ sei ein „besonders hohes Gut, um die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns zu gewährleisten“.