Beamtenhochschule Ludwigsburg Neuer Untreue-Verdacht in Zulagen-Affäre

Neuer Wirbel nach drei Jahren Ruhe: Beamtenhochschule Ludwigsburg Foto: dpa/Marijan Murat

Paukenschlag in der längst abgehakten Zulagenaffäre an der Beamtenhochschule: Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt erneut, weil die per Straftat erlangten Zahlungen weiterlaufen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Das Jahr 2023 sollte für die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen eigentlich ganz im Zeichen ihres Jubiläums stehen. Mit einer Fülle von Veranstaltungen feiert sie ihr 50-jähriges Bestehen, immer wieder kommen auch Regierende vorbei – demnächst der Finanzminister.

 

Nun aber wird die Kaderschmiede für Beamte von einer Affäre eingeholt, die sie längst abgehakt hatte. Bald drei Jahre nach dem Untreue-Urteil gegen den früheren Rektor Walter Maier (bis 2011), der 13 Professorinnen und Professoren rechtswidrige Zulagen gewährt hatte, beschäftigt der Fall erneut die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt in diesem Kontext abermals, wie ein Sprecher bestätigt, zunächst gegen Unbekannt, denn: Die illegalen monatlichen Aufschläge wurden bis heute nicht zurückgefordert, sondern sogar lebenslang weitergezahlt. Schon jetzt ist ein Betrag um eine Million Euro aufgelaufen, der mit jedem Jahr weiter wächst. Der Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft: Es könnte sich um Untreue handeln.

Strafanzeige löst neue Ermittlungen aus

Auslöser des neuen Verfahrens ist die Strafanzeige eines Prozessbeobachters und pensionierten Beamten. Es könne doch nicht sein, meinte er nach dem Urteil, dass die Professoren das auf einer Straftat basierende Geld behalten dürften und sogar weiter erhielten. Entschieden hatte das im Jahr 2013 die damalige Rektorin Claudia Stöckle (2011 bis 2015), die die Zulagenaffäre einst aufgedeckt hatte. Ihre Begründung: Wegen des „Vertrauensschutzes“ sei leider nichts zu machen, die Empfänger hätten die Mittel bereits verplant. Durch die Tricks ihres Vorgängers Maier, der Berufungszulagen für gar nicht neu Berufene gewährt hatte, erhalten die Professoren monatlich etwa 500 Euro mehr als vorher; auch ihre Pension erhöht sich entsprechend. Mit fünfstelligen Geldauflagen erreichten sie, dass das Gerichtsverfahren gegen sie eingestellt wurde.

Aber gilt Vertrauensschutz auch bei einer Straftat? Schon der Vorsitzende Richter hatte sich im Prozess verwundert gezeigt, dass die Zulagen unangetastet blieben. Nach dem Urteil untersuchte die Hochschule lange, ob man sie nicht doch zurückfordern könne. „Das ist juristisch nicht möglich“, verkündete der Nachfolge-Rektor Wolfgang Ernst, nachdem er 2022 nicht wiedergewählt worden war; alles sei „mehrfach geprüft“ worden. Wie genau man zu diesem Ergebnis kam, wurde nie näher erläutert. Schon 2017 hatte Ernst ein Rechtsgutachten eingeholt, das kaum Chancen für eine Rückforderung sah; der Schuldspruch lag da aber noch in einiger Ferne.

Ex-Rektorin Stöckle ermuntert Nachfolger

Nun ist Ernst kein Jurist, sondern Wirtschaftsingenieur. Bei seinem Auftritt im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Zulagenaffäre zeigten sich Abgeordnete irritiert, wie wenig er die rechtliche Problematik durchdrungen habe. Doch der Rektor bekam Schützenhilfe von seiner Vorgängerin. Zweimal hatte die Juristin Stöckle ihn nach dem Urteil angeschrieben und zu einer Neubewertung der Zulagen ermuntert. Mit ihrem heutigen Wissen würde sie keinen Vertrauensschutz mehr gewähren. Ihr Rektorat sei damals von den Professoren getäuscht und belogen worden, eine Urkunde habe sich später sogar als gefälscht herausgestellt. Allen Beteiligten sei laut Staatsanwaltschaft die Trickserei bewusst gewesen, da gebe es für Vertrauensschutz keine Basis mehr.

Stöckles dringender Rat: Aufgrund der Vermögensbetreuungspflicht sei das Rektorat verpflichtet, die Rücknahme der Zulagen zu prüfen. Das habe auch die Oberstaatsanwältin im Prozess betont. Laut dem Wissenschaftsministerium, das die Rechtsaufsicht führt, seien die Hochschulen dafür alleine zuständig.

Landeskriminalamt vernimmt Zeugen

Über das Prüfergebnis, dass man nichts zurückfordern könne, hatte sich auch der Bund der Steuerzahler verwundert gezeigt. Aus seiner Sicht sei das „natürlich kaum nachvollziehbar“. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob die Entscheidung rechtens war. Mit den Ermittlungen ist das Landeskriminalamt (LKA) beauftragt, das derzeit Zeugen anhört. Der Abschluss des Verfahrens, so ein Justizsprecher, sei „derzeit nicht absehbar“.

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