Die zentrale deutsche Asylbehörde, das Bamf, hat ihr Arbeitstempo erhöht. Bis zu 400 000 Anträge könne sie in diesem Jahr schaffen, sagt ihr Chef Frank-Jürgen Weise.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Zwölf Jahre lang war Frank-Jürgen Weise Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Er verließ die Armee als Hauptmann. Inzwischen ist er Oberst der Reserve. Aber er handelt, wie es von einem General erwartet werden dürfte. Weise, der als Chef der Bundesagentur für Arbeit seit vier Monaten im Nebenjob auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leitet, spricht in knappen Sätzen und weiß zu delegieren. Das demonstriert er bei seiner Jahresbilanz an diesem Freitag. Er bringt gleich drei Untergebene mit, womit er seinen Teamgeist unter Beweis stellen will – zugleich aber auch zeigt, dass er selbst sich nur für die großen Linien zuständig fühlt, die Kleinarbeit aber gerne den nachrangigen Instanzen überlässt.

 

Wie ist die Bilanz der Asylbehörde?

Mehr als 1,2 Millionen Flüchtlinge sind 2015 nach Deutschland gekommen. 477 000 haben einen Asylantrag gestellt. 280 000 Anträge hat das Bundesamt im vergangenen Jahr bearbeitet. Über 370 000 Fälle ist nicht entschieden worden. Diesen Berg an unerledigten Akten gilt es jetzt aufzuarbeiten. Dazu kommen täglich neue: allein im Januar waren es 52 000 weitere Asylanträge. Obendrein halten sich zwischen 300 000 und 400 000 Flüchtlinge im Land auf, die bisher noch gar nicht registriert sind. Weise sagt: „Von denen vermuten wir, dass sie da sind.“ Unterm Strich hat das Bamf also bis zu 770 000 alte Asylfälle noch nachzuarbeiten.

Wie schnell arbeitet die Bürokratie?

In den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres schafften die Mitarbeiter der Asylbehörde jeweils 57 000 Entscheidungen im Schnitt. Im letzten Vierteljahr waren es immerhin schon 110 000. Das Arbeitstempo hat seit Anfang des Jahres 2015 von 600 Entscheidungen täglich auf inzwischen 2000 zugenommen. So viele Flüchtlinge kommen zurzeit täglich an den bundesdeutschen Grenzen an. Weises Ziel liegt bei einem Tagespensum von 6000. Das will er noch 2016 erreichen.

Gibt es genügend Personal?

Zu Beginn des Jahres 2015 hatte das Asylamt 2350 Beschäftigte. Die Flüchtlingswelle kam Ende Juli in Deutschland an. Ende September lag die Belegschaft des Bamf bei 2650 Leuten. Zum Jahreswechsel waren es 3500. Bis Mitte dieses Jahres will Weise alle 6300 Stellen besetzt haben, die ihm bewilligt worden sind. Hinzu kommen tausend befristete Aushilfskräfte, die von anderen Bundesbehörden an das Bamf ausgeliehen werden. Die Zahl der Mitarbeiter, die über Asylfälle entscheiden, wurde 2015 von 360 auf 1000 aufgestockt. Bis Ende März sollen es 1700 werden. Amtschef Frank-Jürgen Weise sagt: „Wir sind in Höchstlast.“

Geht es noch schneller?

Weise verspricht sich einen „Durchbruch mit der Schaffung der sogenannten Ankunftskarte“. Das ist ein Ausweis, den jetzt jeder Flüchtling erhält, wenn er registriert wird. Er ermöglicht allen beteiligten Instanzen den Zugriff auf ein zentrales Datenregister. Zudem will die Asylbehörde Bundesländern und Kommunen „völlige Transparenz“ einräumen. Sie würden künftig 14-tägig über alle relevanten Zahlen und Neuerungen informiert. Gemeinsam mit Ländern und Kommunen sollen Musterprozesse entwickelt werden, die es erlauben, die Verfahren zu beschleunigen. In so genannten Ankunftszentren werden alle Verfahrensschritte unter einem Dach abgewickelt. 20 davon sind geplant. In der Vergangenheit habe die Bearbeitung eines Asylfalles 150 Arbeitstage beansprucht. Künftig soll ein Fall binnen weniger Tage zu erledigen sein. In Heidelberg, wo das erprobt wird, sei die Hälfte aller Fälle in 48 Stunden abgearbeitet.

Wo liegt die Belastungsgrenze?

Mit dem jetzt bewilligten Personal glaubt Weise mehr als eine Million Asylverfahren im Jahr schaffen zu können. Die Bearbeitungszeit soll für Altfälle bei fünf Monaten liegen, für neue bei drei. Von dem angepeilten Jahrespensum wären die 670 000 bis 770 000 Altfälle abzuziehen, die aus 2015 mit ins neue Jahr geschleppt wurden. Mehr als 400 000 neue Asylanträge dürfen demnach 2016 nicht auflaufen, sonst werden wieder Akten liegenbleiben. In dieser Größenordnung verläuft die Belastungsgrenze des Bamf. „Kommen mehr, dann müssten wir mehr Personal haben“, sagt Weise. Dieser Fall ist nicht unwahrscheinlich. Denn schon im Januar wurden fast 92 000 Neuankömmlinge registriert. Davon haben bisher aber nur 52 000 einen Asylantrag gestellt. Noch vergibt die Behörde Termine nur mit wochenlangen Wartezeiten.