Ralf Wohlleben liest viel im Gefängnis: rechte Blätter wie „Ein Fähnlein“ oder „Der rechte Rand“ etwa, auch eine Leni-Riefenstahl-Biografie und „Das Erbe der Ahnen“, ein Buch über „Germanische Feste und Bräuche im Jahresring“. Der Lektürekanon ist Signal: Einer wie Wolle – so sein Spitzname in der Jenaer Naziszene – verstellt sich nicht, wenn ihn das System einsperrt. So hat der 38-Jährige auch als einziger der Angeklagten im NSU-Prozess eine einschlägig bekannte Szene-Anwältin an seiner Seite: Nicole Schneiders, die einmal in der Jenaer NPD aktiv war, jenem Kreisverband also, den Wohlleben Ende der 1990er Jahre mitgegründet und jahrelang angeführt hatte.

 

So viel Standhaftigkeit kommt in der Szene an. Wohlleben erfährt wie kein anderer der Angeklagten eine Welle der Solidarität. Kameraden sammeln Geld für seine Familie, organisieren Konzerte und Demos für den Inhaftierten, verteilen Buttons mit der Aufschrift „Freiheit für Wolle“ und schalten Glückwunschannoncen zu seinem Geburtstag in den Zeitungen.

Wohlleben war 1993, mit 18 Jahren, erstmals als Rechter in Erscheinung getreten. Später gründete er – zusammen mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe – die Kameradschaft Jena und schloss sich dem Thüringer Heimatschutz an. Er organisierte bundesweite Neonazitreffen und eröffnete das „Braune Haus“ in Jena-Lobeda. Als „absoluten Rassisten mit hohem Gewaltpotenzial“ charakterisiert ihn ein Aussteiger.

Der Anklagevorwurf gegen Wohlleben wiegt schwer: Beihilfe zum Mord in neun Fällen. Zwei Waffen soll er dem Trio besorgt haben, darunter die Ceska, mit der die Morde an den Migranten begangen wurden. In Wohlleben sieht die Bundesanwaltschaft eine „steuernde Zentralfigur der gesamten Unterstützerszene“.