Auf Maike Harm, die neue Beauftragte für Zwischennutzung bei der Stadt Stuttgart, wartet viel Arbeit: Sie muss vermitteln zwischen Künstlern auf der einen und der Verwaltung auf der anderen Seite.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - So schön kann Zwischennutzung aussehen: Die Schankstelle an der Jägerstraße ist eine gastronomische Nutzung auf Zeit. Ursprünglich hätte die zur hippen Lokalität umgewidmete Tankstelle bis Ende 2013 existieren sollen, jetzt wurde der Vertrag bis Ende 2017 verlängert. Maike Harm lehnt an der Bar der Superschanke und plaudert entspannt über ihr neues Tätigkeitsfeld bei der Stadt Stuttgart. Harm hat vor kurzem eine halbe Stelle bei der Wirtschaftsförderung angetreten und soll sich künftig um das Phänomen Interimsnutzung in Stuttgart kümmern. In diesem Themenbereich waren die positiven Nachrichten in der jüngeren Vergangenheit eher rar gesät: Angefangen beim Club Rocker 33, der nach dem Ende seiner Spielzeit im ehemaligen Filmhaus gar Insolvenz anmelden musste, über die wenig inspirierte Interimsnutzung der Türlen-straße bis hin zum Konflikt um die Wagenhallen macht sich Ernüchterung breit um einen der Stuttgarter Kulturtrends der vergangenen Jahre. Alle genannten Projekte haben eines gemeinsam: Mitentscheidend für die Probleme ist eine mangelnde Kommunikation, meist zwischen Veranstaltern, Künstlern und Kreativen auf der einen und der Verwaltung der Stadt auf der anderen Seite. Da trifft es sich ganz gut, dass Maike Harm Kommunikationswissenschaften an der Universität Hohenheim studiert hat. „Ich sehe es als meine primäre Aufgabe an, Verständnis zwischen Künstlern und Verwaltung herzustellen“, sagt Maike Harm. „Die eine Seite muss Verständnis für die Belange des Baurechtsamtes haben. Auf der anderen Seite muss man aber auch aufpassen, dass nicht auch noch der letzte Kreative nach Berlin abwandert, wenn er hier nicht die geeigneten Rahmenbedingungen vorfindet.“ Künstler und Kreative fordern oft eine Abschwächung der strengen Brandschutzlinien für temporäre Nutzungen. Davon hält Harm nicht viel: „Brandschutz ist ja auch zum Wohle des Künstlers. An sicherheitsrelevanten Themen kommt man nicht vorbei.“

 

Maike Harm will zwischen Kunst und Stadt vermitteln

Die 30-jährige Harm hat vor ihrem Dienstantritt bei der Stadt beim Architekturbüro Dittel in der Kommunikation gearbeitet. Ines Aufrecht, die Chefin der Wirtschaftsförderung, hat sich damit explizit gegen eine Bewerberin mit Verwaltungserfahrung entschieden. Harms Vorgängerin war von einem städtischen Amt zur Wirtschaftsförderung gewechselt, um dann wieder die Flucht in Richtung Stadtplanungsamt anzutreten. „Mir war der Bezug zur Kreativwirtschaft wichtig, daher habe ich mich aus über 100 Bewerbungen für Frau Harm entschieden“, so Aufrecht.

Maike Harm kommt aus der Kreativbranche. Neben der Tätigkeit bei der Stadt arbeitet sie als Texterin und Projektmanagerin im Bereich Web. „Die Verwaltungswelt ist mir aber nicht fremd. Im Architekturbüro hatte ich Kontakte zum Baurechtsamt. Während meines Studiums habe ich im Kultusministerium gearbeitet“, so Harm, deren größte Exzentrik im Interview darin besteht, die Abkürzung für et cetera so auszusprechen, dass es sich wie Eh-Te-Ce anhört.

Diese besonnene Art wird ihr bei der ein oder anderen Interimsnutzung noch von Vorteil sein. „Stuttgart hat nach wie vor genügend Eigentümer, die sich eine Zwischennutzung gut vorstellen können, gerade jetzt, wo sich die Stuttgarter Innenstadt so rasant entwickelt. Wenn die Nutzer ihren Fristablauf aber mehrmals negieren, wird es in Zukunft eher schwierig sein, Flächen für eine Interimsnutzung zu finden“, sagt Ines Aufrecht, und erinnert dabei noch einmal an die Schlammschlacht, die am Ende zwischen dem Rocker 33 und der LBBW Immobilienabteilung als Besitzerin des Filmhauses ablief.Wie sehen Maike Harms Ziele für ihre Stelle aus? „Als erstes möchte ich eine Plattform im Internet aufbauen für externe Nutzer, die an der Stelle ihre Flächen zur Zwischennutzung anbieten können.“ So sei das Angebot so transparent wie möglich. Für dieses Projekt sucht sie bereits das Gespräch mit den Initiativen Plenty Empty und dem Stuttgarter Leerstandsmelder, um deren Fachwissen über Leerstand in Stuttgart in das Webprojekt der Wirtschaftsförderung einfließen zu lassen.

Plattform für Zwischennutzung im Internet

Zunächst aber ist Harm bemüht, ein positives Bild von der Interimsnutzungs-Situation in Stuttgart zu zeichnen. „Das Beispiel Fluxus mit seinen temporären Läden und Gastronomien zeigt, wie gut eine Interimsnutzung dieser Stadt tun kann“, sagt Maike Harm, lehnt sich entspannt an die Bar der Schankstelle zurück und schaut zufrieden in Richtung des Gastraumes, der am Wochenende Tanzfläche ist. So schön kann Zwischennutzung aussehen.