Seit Jahren kämpfen Nachbarn gegen eine geplante Neubebauung an der Reutestraße in Filderstadt-Plattenhardt. Nun demonstrieren sie mit Stangengerüsten die Dimensionen der Planung und erwägen rechtliche Schritte. Was sagt ein Experte dazu?

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Plattenhardt - Was auf Bauplänen steht, kann man sich oft schlecht in der Wirklichkeit vorstellen. Mitglieder der Initiative „Aufbruch Filderstadt – Stadtteil Plattenhardt“ haben deshalb Stangengerüste aufgestellt, die zeigen sollen, welche Ausmaße die geplante Bebauung in zweiter Reihe an der Reutestraße haben soll. „So kann man sehen, wie wuchtig die Neubauten werden“, sagt Tiana Roth von der Bürgerinitiative.

 

Die Initiative kämpft seit Jahren dafür, dass die Neubauten in zweiter Reihe an der Reutestraße 24-32 kleiner und weniger massiv werden (wir berichteten). Darum lädt sie für Freitag zur Ortsbegehung ein. „Es geht uns ja nicht um die geplanten Gebäude an sich“, erklärt Roth. „An manchen Stellen passt diese Bebauung gut hin, nur eben an die kleine Reutestraße nicht.“

Anwohner hoffen auf Kompromiss

Nun hoffen die Anwohner auf einen Kompromiss, dass die Stadtverwaltung und die Investoren vielleicht doch noch einlenken. „Es gibt ja verschiedene Optionen, wie die Bebauung alternativ aussehen könnte“, so Roth. Sollte aber der Satzungsbeschluss für den neuen Bebauungsplan im Gemeinderat durchgehen, dann will die Initiative ein Normenkontrollverfahren einleiten. Dabei, erklärt Tiana Roth, „schaut ein unabhängiger Richter sich die Unterlagen an: Ist der Abwägungsprozess gut gemacht worden? Gab es irgendwelche Fehler?“ Die Kosten dafür teilen sich die Anwohner. Die Notwendigkeit der Stadt, neuen Wohnraum zu schaffen, sieht die Initiative auch. „Aber nicht mit dieser baulichen Dichte an einer schmalen Straße mit einseitigem Gehweg“, betont Tiana Roth.

Architektur ist für alle da

„Die Städte brauchen Wohnungen“, sagt Thomas Sixt Finckh, Architekt und Vorsitzender der Kammergruppe Esslingen der Architektenkammer Baden-Württemberg. „Nachverdichtung ist daher notwendig und überall ein Problem.“ Er sieht aber auch eine deutliche gesellschaftliche Verantwortung, was die Architektur angeht: „Architektur ist für alle da, jeder fährt vorbei, jeder nimmt sie wahr.“ Umso besser müsse die Qualität von geplanten Neubauten sein.

Was die Meinung der Nachbarn angeht, so sagt Finckh: „Neubauten müssen sich natürlich in die vorhandene Bebauung einfügen.“ Allerdings sei es schwierig, die Anwohner einzubinden: Anfangs sei oft kein Interesse da, und erst, wenn wirklich gebaut wird, werde gemeckert. Außerdem: „Die Architektur muss unter den Fachleuten geregelt werden. Das können Laien nicht mitentscheiden.“ Dafür empfiehlt Finckh die Arbeit von Gestaltungsbeiräten. „Ein Gestaltungsbeirat ist das Fachorgan, um Bauobjekte zu bewerten, und ein Muss in jeder Ortschaft“, sagt der Experte. Einen solchen gibt es in Filderstadt seit 2016, und dieser hat sich das Baugesuch für die Reutestraße auch angesehen und ihm eine „gute gestalterische Qualität“ beschieden.

Experte sieht die Kommune in der Pflicht

Dass Neubauten oft teurer sind als der Bestand, kann Thomas Sixt Finckh bestätigen. „Das liegt zum Teil an gestiegenen Kosten“, erklärt er. Die Baunebenkosten – also Planung, Energieberatung, verschiedene Nachweise, weitere Vorgaben vom Gesetzgeber – liegen heute bei rund 25 Prozent der Baukosten. „Als ich vor über 20 Jahren angefangen habe, waren es noch etwa 18 Prozent.“ Auch die Baumaterialien würden jährlich teurer werden. „Die Produkte steigen jedes Jahr zehn bis 15 Prozent im Preis.“ Günstiger Wohnraum von privaten Bauträgern – „das geht eigentlich gar nicht“, sagt Finckh. Er sieht die Kommunen in der Pflicht, mit sozialem Wohnungsbau die benötigten Wohnungen selbst zu bauen.

Auch Gerhard Krauss gehört zu den Nachbarn, die sich dafür einsetzen, dass die Neubauten an der Reutestraße kleiner ausfallen. „Dass dringend Wohnungen gebraucht werden, ist klar“, sagt er. „Darum geht es uns ja auch gar nicht.“ Was dort geplant werde, könnten sich aber nur Besserverdienende leisten, meint er, und helfe beim Wohnraummangel somit nicht.

Schräg gegenüber des umstrittenen Vorhabens entsteht schon ein neues Mehrfamilienhaus. Die Wohnungen werden im Internet zum Verkauf angeboten, die günstigste mit drei Zimmern für 412 000 Euro, das Penthouse für 854 000 Euro.

Vor-Ort-Termin am 13. Juli

Die Initiative Aufbruch Plattenhardt lädt für Freitag, 13. Juli, 15 Uhr, zum Vor-Ort-Termin an die Schönbuchstraße 37 ein: Die aufgebauten Stangengerüste sollen die Maße der geplanten Bebauung an der Reutestraße zeigen. Ursprünglich hatte der Stadtrat Frank Schwemmle (SPD) angeregt, mit einem Schnurgerüst die Ausmaße der Gebäude im Baugebiet darzustellen, um sie sich besser vorstellen zu können. Diese Idee hat die Initiative nun aufgegriffen. Direkt an der Reutestraße sind drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils vier Geschossen vorgesehen. In zweiter und dritter Reihe sollen jeweils zwei Gebäude entstehen. Insgesamt sind das 39 Wohnungen.