Reinhold Beckmann tritt an diesem Donnerstag zum letzten Mal als Talkmeisteran. Er gilt als großer Verlierer der großen Talkshow-Rochade in der ARD von 2011. Und: in seiner Show gab es viel Einerlei und nur Debatten konnte er neu anstoßen.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören ist eine Kunst, die im Mediengeschäft nicht jeder beherrscht. Reinhold Beckmann hat sich in diesem Punkt als Profi erwiesen: Ende Mai gab er in einem Zeitungsinterview das Ende seiner Talkshow bekannt – nur einen Tag vor einer Sondersitzung der ARD-Intendanten, in der diese, so wurde zumindest vielfach vermutet, „Beckmann“ abgeschossen hätten.

 

Am 25. Januar 1999 war der heute 58-Jährige bei der ARD mit seiner eigenen Talkrunde angetreten – am Donnerstagabend, fünfzehn Jahre später, sitzt er zum 624. und letzten Mal mit seinen Gästen am Tisch. Ihr Thema: die Flüchtlingssituation in den Krisengebieten.

Sein Verzicht hat ihm viel Respekt und Lob eingebracht, mit beidem ist der Moderator zuvor nicht allzu oft bedacht worden. Angriff ist die beste Verteidigung: Für den Sportexperten Beckmann, der als Erfinder der Sat-1-Sendung „Ran“ die TV-Fußballberichterstattung umkrempelte und nach wie vor die ARD-„Sportschau“ moderiert, war der freiwillige Rückzug die einzige Möglichkeit, das Gesicht zu wahren.

Seine Gesprächsrunde galt als der große Verlierer der Talkshow-Rochade, mit der die ARD 2011 den Moderatoren-Zampano Günther Jauch hofierte: Beckmann musste vom angestammten Montagabend auf den Donnerstag umziehen; Anne Will wich für Jauch vom begehrten Sonntags-nach-dem-„Tatort“-Platz auf den Mittwoch, montags ist seither Frank Plasberg dran, am Dienstag Sandra Maischberger. Im Quintett der Spät-Talker erzielte Beckmann die schlechtesten Quoten, in diesem Jahr sahen ihm im Schnitt nur noch 920 000 Zuschauer zu, ein Marktanteil von 7,1 Prozent.

Tief im Einerlei

Gab sich Beckmann anfangs noch ARD-loyal und zuversichtlich („das wird sich zurechtrütteln“), machte er später keinen Hehl daraus, wie sehr ihn die Sendeplatzverschiebung ärgerte: Am Donnerstag musste er nicht nur mit ständig wechselnden Sendezeiten, sondern vor allem gegen das starke ZDF-Doppel „Maybrit Illner“ und „Markus Lanz“ kämpfen.

Seine Abschiedsankündigung verband er denn mit der Bestätigung der Kritik, die die Talkshow-Reform von Anfang begleitet hatte: Er und seine Kollegen fischten allzu oft „im selben Tümpel nach Gästen und Themen“. Zu dieser Erkenntnis waren freilich schon vor ihm selbst die Rundfunkräte von WDR und BR gekommen und hatten deshalb eine Reduzierung der Talkformate gefordert.

Sich aus dem Einerlei des nahezu gleichartig inszenierten Argumentenaustauschs von notorischen Vertretern des Politzirkus herauszuheben – das ist Reinhold Beckmann immer weniger gelungen. Dabei wollte er im Gegensatz zu den Kollegen explizit „kein klassisches Debattenfernsehen“, sondern ein „differenziertes Auseinandersetzen“ bieten. Weil ihm weniger Argumente als „Menschen mit ihren Lebensgeschichten“ wichtig waren, suchte er seine Stoffe immer wieder jenseits des Mainstreams.

Ausgrenzung von Behinderten, Kinderhospize oder, wie in der vergangenen Sendung, Sterbehilfe – Beckmann hat sich an schwierige, unpopuläre Themen gewagt, aber auch „weiche“ wie Geschwisterbeziehungen oder „Stadtfrust/Landflucht“ nicht gescheut. Nur punktuell ist es ihm gelungen, statt alte Debatten weiter breitzutreten, neue in Gang zu bringen, etwa mit dem ehemaligen Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz oder dem Radsportler Bert Dietz, der bei ihm ein Dopinggeständnis ablegte.

Nicht konsequent genug

Zu seinen persönlichen Highlights zählten das Gespräch mit Ingrid Betancourt, die sechs Jahre lang im kolumbianischen Dschungel von Guerillakämpfern als Geisel gehalten wurde, die sechs Begegnungen mit Helmut Schmidt und Gerhard Schröders krähende Bejahung auf Beckmanns Frage, ob Wladimir Putin für ihn ein „lupenreiner Demokrat“ sei. Und bei „Beckmann“ ward nicht zuletzt Vicco von Bülows wichtige Erkenntnis geboren: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“

Doch der telegene Journalist mit smarter Brille und Dreitagebart setzte seine eigenen Ansprüche oft nicht konsequent genug um. Dazu kam: sein Moderationsstil, das Vornübergebeugte, Gefühlige, war nicht jedermanns Sache, vielen war er schlicht zu soft. Nähe und Intensität wollte er – Seichtheit und Boulevard bot er immer wieder, beim Fragen ließ er es gern an Prägnanz vermissen.

Vom Bildschirm wird der Medienprofi, der seit einigen Jahren mit einer eigenen Band Musik macht, freilich nicht verschwinden. Seine TV-Karriere begann vor dreißig Jahren mit Dokumentationen, immer wieder hat er selber Filme gemacht – daran knüpft er nun an: In einem neuen Reportage-Format will er sich im kommenden Jahr montagabends um 20.15 Uhr im Ersten „sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen“ widmen. Das heißt für ihn: raus aus dem Studio – er freue sich drauf. Man kann ihm das glauben.