Für 3300 Lehrer und 4000 Referendare im Südwesten dürften die nächsten Wochen alles andere als entspannend werden, denn sie erhalten kein Gehalt mehr. Mit Ferienbeginn endet ihr Arbeitsvertrag.

Stuttgart - Alle Jahre wieder die gleiche Prozedur: Nach dem letzten Schultag läuft bei einem Teil der Lehrer in Baden-Württemberg der Arbeitsvertrag aus. Betroffene müssen Arbeitslosengeld oder Hartz IV beantragen oder sehen, wie sie anderweitig finanziell über die Sommerferien und teilweise auch die Zeit danach kommen. In diesem Jahr trifft es nach Angaben des Kultusministeriums rund 3300 Lehrkräfte, das sind drei Prozent der Lehrer. Begründet wurde die seit Jahrzehnten übliche Regelung zumeist mit leeren Kassen.

 

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert, mit der bisherigen Praxis endlich Schluss zu machen. Die befristet beschäftigten Lehrer sicherten unter schwierigen Bedingungen und bei schlechterer Bezahlung den Unterricht, erklärte Landeschefin Doro Moritz. Obwohl viele nach den Ferien wieder gebraucht würden, entlasse die grün-schwarze Landesregierung sie in die Arbeitslosigkeit – entgegen den Versprechen vor der Landtagswahl.

Trotz des akuten Lehrermangels vor allem an Grundschulen sowie in bestimmten Fächern und Regionen unterlasse es die Landesregierung, den Lehrerberuf attraktiv zu machen, kritisierte der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei. „Bedenkt man, in welch prekäre Situation die Lehrkräfte und ihre Familien in den sechs Wochen unverschuldeter Arbeitslosigkeit kommen, so ist der Schuldienst keine sichere Bank.“ Anders als in der vergangenen Legislaturperiode seien die Landeskassen nun prall gefüllt, „so dass die schlechte Tradition der Entlassung über die Sommerferien beendet werden könnte“, so Fulst-Blei.

Kultusministerin will Regelung beibehalten

Wie die SPD und die Lehrerverbände fordert auch die FDP, dem Beispiel von Rheinland-Pfalz zu folgen. Dort sollen von 2019 an Vertretungslehrer über die Sommerferien hinweg bezahlt werden. „Eine möglicherweise drohende Saison-Arbeitslosigkeit und Kettenverträge sind alles andere als gute Werbemittel für den Lehrerberuf“, sagte der FDP-Abgeordnete Timm Kern.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will die jetzige Regelung hingegen beibehalten. Einem Großteil der 3300 Betroffenen könne gar keine unbefristete Anstellung angeboten werden, weil sie die Voraussetzung dafür nicht erfüllten, sagte ein Sprecher des Ministeriums: Etwa 2000 Personen hätten entweder keine grundständige Lehramtsausbildung absolviert oder die Ausbildung noch nicht abgeschlossen. Weitere 650 der befristet angestellten Lehrkräfte seien Pensionäre, die gar nicht arbeitslos werden könnten. „Unter den restlichen rund 650 Lehrkräften sind durchaus auch solche, die sich bewusst für diese Situation entschieden haben.“ Sie hätten sich auf besetzbare, unbefristete Stellen nicht beworben oder ein solches Angebot ausgeschlagen, „weil dies ihrem Ortswunsch nicht entsprach, und stattdessen lieber eine befristete Krankheitsvertretungsstelle im gewünschten örtlichen Umfeld angetreten“, so der Sprecher. Würden alle Vertretungslehrer über die Ferien beschäftigt, kostete das 12,5 Millionen Euro zusätzlich.

Auch Referendare bleiben bis September ohne Vertrag

„Egal welcher Couleur die jeweilige Landesregierung war und ist, alle haben in der Opposition diese Praxis kritisiert und dann als Regierung anders gehandelt und alles beim Alten gelassen“, bemängelt Jörg Sobora, Vorsitzender der Jungen Philologen, die Gymnasiallehrer vertreten. „In Zeiten überquellender Steuereinnahmen ist es niemandem zu vermitteln, dass eines der reichsten Bundesländer bei dieser Praxis bundesweit vorn liegt.“ Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit haben sich während der Sommerferien im vergangenen Jahr deutschlandweit rund 4900 Lehrer arbeitslos gemeldet, davon 1680 in Baden-Württemberg.

Betroffen von Arbeitslosigkeit sind nicht nur die Vertretungslehrer. Für rund 4000 Referendare endet mit Ferienbeginn ihre Lehrerausbildung. Wer in den Schuldienst übernommen wird, erhält einen neuen Vertrag ab dem 6. oder 7. September. Die Chancen auf Übernahme seien relativ gut, sagte ein Sprecher des Ministeriums – vorausgesetzt, die Bewerber seien flexibel. Für Gymnasiallehrer gibt es zum Beispiel auch Angebote an Grundschulen – mit der Zusage, später ins Gymnasiallehramt wechseln zu können.