Sie wurde als Quoten-Queen und Seriendarstellerin bekannt. Und doch lässt sich Elisabeth Lanz nicht darauf reduzieren: Sie entzieht sich jeder Vereinnahmung. Der StZ-Autor Martin Eich hat die Schauspielerin in Worms getroffen.

Stuttgart - Eigentlich, das macht Elisabeth Lanz eingangs deutlich, will sie nicht über „Rote Rosen“ reden, jene ARD-Telenovela, in der sie während eines Jahres und 200 Episoden die weibliche Hauptrolle spielte. Denn sie weiß, welchen Ruf das Format hat. Egal. Sie macht es dann doch, während ein glühender Wind über die Dächer und durch die Kronen der Bäume schleicht, die pittoresk um das Restaurant in der Nähe des Wormser Doms gruppiert sind. „Ich musste funktionieren wie ein Computer. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen. In einer Telenovela stecken viel mehr Können und Leistung, als manche vermuten“, sagt sie, und Spurenelemente von Trotz sind in ihrer sonst so weichen Stimme auszumachen.

 

Den Beweis schiebt sie sofort nach. Einen ihrer Drehtage habe ein Kollege mit seinem Handy gefilmt. Nur so, zum Spaß. Und dabei sei herausgekommen, dass sie an diesem Tag insgesamt 19 Szenen mit 43 Sendeminuten gedreht habe. „Da joggt man durchs Studio und sortiert die Gedanken und Emotionen.“ Und will sich hinterher nicht dafür rechtfertigen. Muss sie auch nicht. Die 43-Jährige ist seriengestählt und Quoten-Queen. Nicht nur im Vorabendprogramm. Außer, Verzeihung, „Rote Rosen“ listet ihr Lebenslauf noch „Kommissar Rex“, „Klinik unter Palmen“, „Alle meine Töchter“, „Samt und Seide“ sowie „Tierärztin Dr. Mertens“ auf. Alles Erfolgsformate, alles Dauerläufer. Und damit zu einer Schauspielerin passend, die dreimal österreichische Leichtathletik-Jugendmeisterin war und Hürdenrennen genauso absolvierte wie Laufstrecken. Nachdem erst ein linkes, später ein rechtes Seitenband gerissen war, hörte sie auf und ging nach dem Abitur für ein Jahr als Au-pair nach London. Und landete danach in Wien .

Spätfolgen einer Kindheit abseits der großen Städte

Es müssen wilde Jahre gewesen sein, voller Hunger nach Intensität. Sie studierte und verwarf Linguistik, Philosophie, Kommunikationswissenschaften, Theaterwissenschaft, schrieb sich schließlich für Jura ein. „Davor habe ich mir gesagt: Okay, ich muss jetzt vernünftig werden, so geht es nicht weiter.“ Ging es doch. Sie jobbte als Modell und war mehr in Theatern und Museen als an der Universität. Die Spätfolgen einer Kindheit im oberösterreichischen Altmünster, wo ihr Vater ein SOS-Kinderdorf leitete. „Ich hatte einen riesigen Nachholbedarf an allem, was mit Kultur zu tun hatte.“ Sie kam zum Theater und ließ sich als Schauspielerin ausbilden, weil sie das, was sie suchte, an der Universität nicht fand. Synchronbegabungen harmonieren selten mit Vorlesungsverzeichnissen, sie wollen den Mörtel analysieren, nicht die Steine. Oder, wie Lanz es formuliert: „Ich habe mich für das Wort interessiert und dafür, was die Welt zusammenhält.“

Sie tut es noch heute. Lange reden wir über C. G. Jung, Strindberg („Ich liebe ihn. Mich fasziniert diese Souveränität, wie gekonnt er menschliche Schwachstellen offenlegt.“), den amerikanischen Naturalismus, irgendwann zückt sie ihr Smartphone und liest Rilkes Gedicht „Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort“ vor, das sie immer bei sich trägt. Was bei anderen bleischwer und effektheischend anmuten würde, Lanz nimmt man es ab. Gerade das Ungekünstelte und der völlige Mangel an Kalkül verleihen ihren Aussagen heiligen, archaischen Ernst. Die Zivilisation weicht zurück, die Wildnis setzt sich durch. Aber sie weiß, dass Gewalten bisweilen auch eingedämmt werden müssen: „Die kindliche Neugier habe ich mir bis heute bewahrt. Aber manchmal muss ich aufpassen, dass sie nicht überhandnimmt, damit ich nicht den Fokus aus den Augen verliere.“

Ein von Lächeln getarnter Imperativ

Und was, Frau Lanz, ist im Fokus? Ein kurzer Moment des Nachdenkens, während sie weiter unter den Sonnenschirm rückt, um dem drückenden Hitzepanzer zu entkommen. Dann ein Musterbeispiel shakespearehafter Verknappung, ein getarnter Imperativ, gemildert durch die Vision eines Lächelns, das nichts gemein hat mit dem branchenüblichen PR-Hochglanzstandardstrahlen: „Dass ich mir immer treu bleibe.“ Der Darsteller, der im Augenblick und im Scheinwerferlicht aufgeht, die physische und psychische Zuwendung des Publikums sucht, zur Projektionsfläche wird – das ist nicht ihr Ideal.

Im Gegenteil. Sie kennt die Risiken, die daraus erwachsen, hat sie selbst erlebt. „Als junge Schauspielerin habe ich immer versucht, mich leer zu machen, damit Regisseur und Rolle dieses Gefäß füllen können. Das ist wahnsinnig gefährlich, weil man sich darin verlieren kann. Andererseits hat mich das erfolgreich gemacht, aber auch so unter Spannung gesetzt, dass ich mich vor 15 Jahren gefragt habe, ob ich diesen Beruf so weitermachen möchte.“ Wichtig sei deshalb, ein Leben außerhalb des Jobs zu haben. Gerade, weil der so aufreibend und besitzergreifend sei.

Wieder für das Theater entflammt

Sie hat und pflegt diese Parallelwelt. Gemeinsam mit ihrem Mann und der achtjährigen Tochter lebt sie in einem kleinen Ort in der Nähe von München. Sie schreibt, unterrichtet, hat vor fünf Jahren gemeinsam mit einer Co-Autorin ein Buch über Werdegänge von Schauspielerinnen herausgegeben. Und kann sich vorstellen, künftig mehr auf der Bühne zu stehen. Dass sie bei den Wormser Nibelungenfestspielen unter der Regie von Dieter Wedel in Hebbels „Nibelungen“ die Götelinde verkörpert, hat sie wieder für das Theater entflammt.

Rilke, Strindberg, Hebbel. Und, so ziemlich am anderen Ende der dramaturgischen Richterskala, die Serien der deutschen TV-Gegenwart. Wie geht das zusammen? Gut, findet Lanz. Sie könne jeder Rolle etwas abgewinnen. „Manchmal geben mir Erfahrungen während meiner Arbeit genauso viel wie der künstlerische Reiz. So habe ich etwa durch die Verkörperung der Tierärztin Dr. Mertens gelernt, keine Angst vor großen und gefährlichen Tieren zu haben, außerdem Spontanität und Improvisation.“ Eine Antwort, die passt. Hürden zu nehmen, ins Ziel zu kommen, dazuzulernen und doch bei sich zu bleiben: Elisabeth Lanz hat darin schließlich Erfahrung.