Seine Komödie „Shoppen“ widmete sich den Mittdreißigern. In „Wir sind die Neuen“ lässt der Filmemacher Ralf Westhoff Studenten und Rentner aufeinander krachen. Die StZ-Autorin Ulrike Frenkel hat den Regisseur in München getroffen.

Stuttgart - Seine Stärke kommt leise und zurückhaltend daher, wenige Worte, kein auftrumpfendes Selbstbewusstsein. „Jeder Film war schwer. Um eine gute Geschichte zu erzählen, sollte man sensibel sein. Um die eigene Vision zu verteidigen und um alles, was rund um den Dreh stattfindet, gut zu überstehen, ist das eher hinderlich. Ich weiß nicht, wie andere diesen Widerspruch überwinden“, sagt Ralf Westhoff ruhig inmitten des Lärms des quirligen Cafés Kosmos nördlich des Münchner Hauptbahnhofs. Gerade war um die Ecke sein drittes Werk „Wir sind die Neuen“ vor Journalisten aufgeführt worden, was er aufregend findet, „wie jedes Mal“, und dennoch einigermaßen gelassen nimmt.

 

Schließlich hat der 44-jährige Filmemacher, der immer selbst für Buch, Regie und Produktion verantwortlich zeichnet, 2007 für „Shoppen“ und 2010 für „Der letzte schöne Herbsttag“ schon sehr viel Lob und Preise bekommen. Beides Mal ging es um Städter in der Blütezeit des Lebens, die sich schwertun zwischen Selbstverwirklichung und Beziehung, zwischen den Ökonomien der Selbsterhaltung und der Gefühle jeweils eigene Wege zu finden. Ganz offensichtlich die Schwierigkeiten der eigenen Generation, von denen Westhoff mit Fingerspitzengefühl und Humor erzählte. In „Wir sind die Neuen“ aber hat er sich „als neutraler Schiedsrichter in der Mitte“, wie er sagt, zwischen drei Mittzwanziger und drei etwa Sechzigjährige gestellt, die in einem Mietshaus aufeinandertreffen.

Die Träume ihrer Siebziger-Jahre-WG

Während Katharina, Barbara und Thorsten sich im Obergeschoss durch die Examen ihrer Bologna-entstellten Studiengänge kämpfen, wollen Anne, Eddi und Johannes ein Stockwerk darunter die Träume ihrer Siebziger-Jahre-WG noch einmal aufleben lassen. Während die verwöhnten großen Kinder den Leistungswahn unserer Gesellschaft bis zum Zusammenbruch internalisiert haben, probieren die meist Kinderlosen es mit der Beschwörung von Gemeinschaftsgeist, Feiern bis in die Puppen und endlosen Diskussionen.

Und weil beides nicht so richtig funktioniert, und die sechs Hauptfiguren mit großartigen Schauspielern wie Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach oder Karoline Schuch besetzt sind – „gewonnen habe ich sie mit dem Buch, nicht mit haufenweise Geld“ – , ist das Ganze ein ebenso vergnügliches wie nachdenkliches Stück zeitdiagnostischer Kinokunst geworden. War es schwierig, sich in beide Fraktionen einzufühlen? „Natürlich ist es am einfachsten, wenn man etwas gut kennt“, sagt Ralf Westhoff. „Aber die Jungen sind meine Vergangenheit, ich war es bisher gewohnt, der Jüngere zu sein. Die Alten sind meine Zukunft. Ich konnte also ein bisschen mit dem Blick von außen auf die Geschichte schauen.“ Der Generationenkonflikt, das habe sich beim langen Prozess des Drehbuchschreibens ergeben, „war für mich das Spannendste daran, denn in den vergangenen 35 Jahren ist so unglaublich viel passiert, und anhand der Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen ließ sich schön von diesen Veränderungen erzählen“. Während die Alten vor allem politisch denken, argumentieren die Jungen vor allem egoistisch. Die einen glauben nicht mehr, dass Beziehungen ewig halten, die anderen verloben sich gleich mit dem oder der „Richtigen“.

„Ich will, dass mal was bleibt!“

Aber ist das wirklich alles so einfach? Natürlich nicht, und weil Westhoffs feine Dialoge auch von der menschlichen Ambivalenz leben, lässt er zum Beispiel Gisela Schneebergers idealistisch geprägte Figur Anne irgendwann entnervt ausrufen: „Hört bloß auf, Dinge zu verändern. Ich will, dass mal was bleibt!“, obwohl es ja ihre Leute waren, die 68er, die einst das Gewohnte um jeden Preis umstürzen wollten.

Seine drei Jungen hingegen schlagen ziemlich harte Töne an, dabei spiegelten sie vor allem, sagt der ehemalige Student der Wirtschaftswissenschaften, die derzeitige Ausrichtung unserer Gesellschaft. „Wobei ich nicht von einer Seite komme, von der aus ich das Ökonomische total verteufle, ich finde die Kräfte des Marktes in der Wirtschaft sehr spannend, sehe aber auch, dass sie inzwischen sehr, sehr mächtig sind und dass es zwingend einer Kontrolle durch die Gesellschaft bedarf, damit etwas Positives daraus entsteht.“ Die nachfolgende Generation, erklärt er, „sieht ja, dass es ohne viel Geld und Erfolg schwierig wird, wenn alles sich auf Gewinnmaximierung reduziert und man in einer Stadt wie München auf normalem Weg keine einigermaßen bezahlbare Wohnung mehr bekommt. Das macht natürlich etwas mit den Jungen. Deshalb werden die Alten auch zunächst zum Schreckensbild für sie, weil sie nicht sehen, was die eigentlich geleistet haben.“ Und weil sie vielleicht auch zunächst nicht wahrnehmen, dass die drei noch nicht aufs Abstellgleis gehören, sondern durchaus noch etwas zu bieten haben, weil man mit 60 inzwischen meistens noch mitten im Leben steht?

Umkehrung herkömmlicher Verhältnisse

„Meine Alten sind ja gar nicht alt“, sagt Ralf Westhoff. „Sie sind laut, unbequem und sie trinken ein bisschen viel. Alt sind sie nicht, das hat ja auch was mit innerer Haltung zu tun.“ Fast findet in seinem Film eine Umkehrung herkömmlicher Vorstellungen statt, „denn sie stehen einfach nicht so unter Druck und sind deshalb viel lockerer und entspannter als meine Jungen“. Ralf Westhoff legt sich in seinen pointierten Szenen niemals fest, das wäre ihm wohl zu einfach, Aber wenn man seiner nicht nur komischen Komödie am Ende eine Moral andichten möchte, dann lautete die wohl: Redet miteinander, tauscht euch aus, nur so lassen sich die Gräben überbrücken, die sich zwischen Menschen unterschiedlicher Baujahre und komplett anderer Prägung gelegentlich auftun können. Inspiriert, erzählt Ralf Westhoff denn auch, werde er beim Schreiben seiner Drehbücher durch „Gespräche, Dinge, die ich lese oder höre. Daraus entstehen dann Szenen, da brauche ich auch keine Fakten mehr“. „Ich will“, sagt er lächelnd und sieht dabei sehr jungenhaft und reif aus, „die Realität hinterfragen, aber nicht abbilden.“