Der erste digitale Opernball in Stuttgart hat die Gäste so sehr begeistert, dass viele nun fragen: Sollte nicht die Tradition zurückkehren? Für unsere Nachbetrachtung einer besonderen Nacht haben wir die Reaktionen gesammelt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Opernbälle sind in Stuttgart immer was ganz Besonderes. Seit fast 20 Jahren gab es keinen mehr. In der Pandemie hat die Stadt eine außergewöhnliche Ausgabe geschenkt bekommen. Bei freiem Eintritt (und der Bitte um Spenden) lieferten allein schon Moderatorin Stine Marie Fischer (Staatsoper) und Moderator Robert Rožić (Staatsschauspiel) im atemberaubenden Wechsel ihrer Kostüme bestes Entertainment. Von glamourös bis knisternd-erotisch – das Duo sorgte für großes Kino, flotte Sprüche und Spaß, den viele in der Corona-Krise vermissen.

 

Über 1300 Gäste verfolgten das Live-Streaming aus dem Opernhaus, das Smalltalk auf neue Art hervorgebracht hat. Nicht allein fürs Zuschauen war das Publikum bestimmt. Man konnte – dank der Plattform-Optionen – lustwandeln durch die Foyers, bis zum Raucherbalkon, sich in Räumen mit anderen Gästen mit Ton und Bild austauschen. „Ist das geil“, war in einem dieser Räume zu hören. Oder: „Chapeau – da ist ein Treffer gelungen.“ In dieser Nacht sind Walzer auf Techno im Littmann-Bau gestoßen, Smoking auf Strickjacke via Videoeinblendungen von daheim.

Weindorf-Chefin Mohrmann unterstützt das Comeback des Opernballs

In den digitalen Räumen trafen sich Stadtpromis und Kulturfans, die sich ohne Pandemie bei gesellschaftlichen Topereignissen auch sonst immer tummeln. Immer wieder hörte man: Sollte sich Stuttgart nicht nach Corona einen regulären Opernball wie früher im Opernhaus gönnen? Weindorf-Chefin Bärbel Mohrmann unterstützt diese Idee: „Das könnte ein schönes Projekt für Pro Stuttgart sein – gern würden wir uns da einbringen.“

Kulturmanagerin Brigitte Stephan, als Persönliche Referentin von Intendant und Staatsrat Wolfgang Gönnenwein für die Programmgestaltung der bis 1992 jährlich stattfinden Opernbälle (2002 gab es ein Comeback zum 50-Jahr-Jubiläum des Landes) zuständig, erinnert sich gern daran zurück, wie es ihr gelang, 1987 Weltstar Plácido Domingo zum gesellschaftlichen Topereignis nach Stuttgart zu lotsen. „Es wäre schön, wenn diese Tradition wieder auflebt“, findet sie. Opernsprecher Sebastian Ebling freute sich über das große Lob allenthalben. Ob der Opernball zurückkehren kann, sei bisher kein Thema – einst hatte man ihn aus finanziellen Gründen „ausgesetzt“. Enttäuschen muss Ebling die Anfragen vieler, die das Programm des Online-Balls verpasst haben und nachträglich anschauen wollen. Nur einmalig war das Streaming live abrufbar.

Alle Akteure waren zuvor beim Coronatest

Ein bestens aufgelegter Generalmusikdirektor Cornelius Meister am Klavier schoß bei „Walzer, Tango und Co“, einem bunten Mix aus Werken von Johann Strauß bis Friedrich Holländer, mit dem Staatsorchester eine Spielfreude hinaus, die wahrhaft ansteckend wirkte. Wer wollte, konnte sich beim Tanzen daheim selbst filmen – die Bilder wurden für alle übertragen und steigerten die gute Stimmung immer weiter noch. So entstand ein fast analoges Ballgefühl.

Weitere Höhepunkte in drei Stunden (alle waren zuvor beim Coronatest): Blasmusik mit ErpfenBrass, die Just Another Blues Band mit Matthias Klink und Mitgliedern des Staatsorchesters, virtuoser Balkan-Folk mit Foaie Verde sowie DJane Kiti Arsa, zu deren Techno-Sound Robert Rožić leicht bekleidet tanzte. Kürzlich hat der Schweizer bei #actout mitgemacht und zeigte nun, wie er alle Rollen quer durch die Geschlechter beherrscht. Kollegin Stine Marie Fischer schwärmte anderntags: „Es war toll, diese unglaubliche Dynamik zu erleben.“

Nur die Applaus-Funktion fehlte

Nur eine kleine Kritik war bei all dem euphorischen Lob zu hören: Man hätte an die Applaus-Funktion denken sollen.

Schon immer waren Opernbälle in Stuttgart das, was man legendär nennt. Auch die digitale Ausgabe dürfte eines Tages unter diese Kategorie fallen.