Vor 75 Jahren sitzen die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs zu Gericht über führende Nazis und deutsche Militärs. Das Mammutverfahren bewegt sich in einem rechtlichen Minenfeld. Doch die Nürnberger Prozesse sind ein beispielloses Tribunal, das zum Modellfall wird.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Allein der Blick in den Schwurgerichtssaal 600 des Nürnberger Justizpalastes vermittelt Zeitzeugen ein Gefühl von Gerechtigkeit: „Es ist schon etwas, da auf der Anklagebank nebeneinander als arme Sünder die Träger der bis dahin gewaltigsten Namen des Landes zu sehen, der gefürchtetsten Namen, jeder Name eine Totenglocke. So hat sich das Rad des Schicksals gedreht. Sie sind zu Boden geworfen.“ Mit diesen Worten fasste der Schriftsteller Alfred Döblin zusammen, was er zum Auftakt der Nürnberger Prozesse vor 75 Jahren empfunden hat. Er war einer von 240 Reportern bei diesem beispiellosen Verfahren. 24 Nazigrößen und Militärführer aus Hitlers Wehrmacht waren angeklagt. Doch für Döblin hatte der Mammutprozess mehr als bloß juristische Bedeutung: „Es geht bei der Wiederaufrichtung des Rechts in Nürnberg um die Wiederherstellung der Menschheit“, schrieb er.