Mein Studium ist zu Ende und damit auch meine Zeit im Schwabenland. Oder doch nicht? Aus dem Leben einer ehemaligen Filmstudentin.

 57a. WOHNZIMMER/ LUDWIGSBURG   INNEN/ TAG

 

Mein Diplom liegt auf meinem Schreibtisch. Ich habe mein Studium erfolgreich hinter mich gebracht, darf mich jetzt diplomierte Drehbuchautorin nennen. Was ich mir davon kaufen kann? Nüscht. Ein Wisch mit ner Note drauf hilft einem in der Filmbranche nun mal recht wenig. Der Weg ins Geschäft sind die Filme, die man gedreht hat. Waren die erfolgreich, sieht es vielleicht gut aus. Waren sie es nicht, tja. Keine Ahnung. Irgendwie ist doch noch jeder untergekommen. Was nicht stimmt. 

Ja, ich bin schlecht gelaunt. Aber vermutlich nur aus sentimentalen Gründen. Ich habe Angst vor dem, was kommt, und wünsche mir die Behaglichkeit des Studiums zurück. Die Zeit, in der es noch Stundenpläne gab. Dozenten, die einem sagten, was man zu tun hat. Und jetzt? Wer macht das jetzt für mich?

Neben dem Diplom auf dem Schreibtisch liegt ein Wisch meiner Krankenkasse. Studentenbeiträge, ade. Wie soll ich das denn bezahlen? Seit Monaten warte ich auf den ganz großen Auftrag, aber er ist ausgeblieben. Mein nicht vorhandenes Geld neigt sich dem Ende.

Mr. Big und ich treffen daher eine folgenschwere Entscheidung: Wir werden das Schwabenland verlassen. Auf nimmer Wiedersehen. Hoffen auf die Hauptstadt, hoffen auf geringere Lebenshaltungskosten, hoffen auf Projekte.

57b. WOHNUNG/ BERLIN   INNEN/ TAG

Ich stehe in einer Berliner Wohnung. Sie ist in einem Hinterhaus gelegen. Es ist dunkel, riecht komisch und billiger als unsere ist sie auch nicht. Außer mir sind noch ungefähr zwanzig andere Leute gekommen, die sich die Wohnung ebenfalls anschauen wollen. Vom Double-Income-No-Kids-Pärchen bis zur alleinerziehenden Mutter mit Undercut ist alles vertreten. Als Mr. Big und ich unsere Wohnung in Ludwigsburg damals besichtigt haben, war da niemand außer uns. Und die Hausverwaltung hatte sich gefreut, als wir ihnen zugesagt haben, nicht anders herum. 

57c. CAFÉ/ BERLIN   INNEN/TAG 

Ich habe mir jetzt ein paar Wohnungen angeschaut und die Enttäuschung ist groß. Ich frage mich, ob es diese Berliner Altbauwohnung mit den großen Flügeltüren tatsächlich gibt, oder ob die bloß ein Gerücht ist. Im Internet suche ich nach weiteren Angeboten, aber irgendwie scheinen es die Berliner lieber spontan zu handhaben. Wie soll man denn planen, wenn die Anzeige am 14. eingestellt wird, die Besichtigung am 15. ist und am 1. des Folgemonats schon eingezogen werden soll? Versteh ich nicht. 

Ich nehme einen Schluck Club Mate und huste. Bah. Nicht gut. 

ZWEI MONATE SPÄTER

57d. WOHNZIMMER/ LUDWIGSBURG    INNEN/TAG

Mittlerweile haben wir die Zusage für eine Wohnung. Gut gelegen, groß und mit Balkon. Geht doch! Wir haben zwar immer noch keinen Mietvertrag bekommen und ziehen in einer Woche um, aber die Berliner scheinen ja spontaner mit allem zu sein. Ich bin gerade am Kisten packen, als ein Anruf unserer zukünftigen Hausverwaltung kommt.

                     HAUSVERWALTUNGSTYP

           Hallo. Also, da ist leider einiges schief gegangen als meine Kollegin Ihnen die Wohnung versprochen hat. Mit Ihrem Einkommen können Sie die Wohnung nicht haben. 

Ich versteh die Welt nicht mehr. Was ist denn jetzt los? Geht's noch?

57e. RINGBAHN/ BERLIN   INNEN/ TAG 

Ich musste, so kurz vorm Umzug, noch mal nach Berlin fahren um die Sache zu klären. Wenigstens hab ich den Mietvertrag jetzt in der Tasche, drei Tage vor Umzug.

Ich will zurück zum Hauptbahnhof, merke aber leider viel zu spät, dass ich in die falsche Richtung fahre. Und ich sitze in der Ringbahn. Die fährt jetzt einmal um ganz Berlin. Meinen Zug nach Hause werde ich verpassen.

Jemand setzt sich neben mich. Er isst Reis mit veganer Ente.

Berlin, du schaffst mich.

Ich werd dich vermissen, Stuttgart.

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