In einer Einrichtung der Diakonie im baden-württembergischen Isny fertigen Behinderte Verschlüsse für Jagdbüchsen an. Der Auftrag ist lukrativ, aber auch umstritten.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Isny - Der Pfarrer aus dem Kirchenbezirk Ravensburg hat nichts Böses geahnt, als er im Rahmen einer Fortbildung das Stephanuswerk in Isny besichtigte. Das ist eine diakonischen Reha- und Bildungseinrichtung für Menschen mit Handicaps unter dem Dach der Evangelischen Heimstiftung. Doch dann gingen dem Theologen beim Besuch der Behindertenwerkstatt die Augen über. Da waren die Poster an der Wand, die ein Gewehr zeigen und für die Waffenfirma Blaser werben. Und da war vor allem die Einsicht, dass hier Teile für Waffen hergestellt werden. „Ich liebe meine Kirche und die Diakonie, doch das passt absolut nicht zu unserer Botschaft des Friedens“, sagt der Mann aufgebracht, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte und der nun um die Glaubwürdigkeit der Kirche fürchtet.

 

Schließlich habe Jesus gegen Gewalt gepredigt, könne man mit Jagd- und Sportwaffen einen Amoklauf anrichten – wie in Winnenden, Erfurt oder Memmingen. Seine Bedenken, seinen Protest hat der Theologe vor Ort zwar deutlich ausgesprochen, er fand aber augenscheinlich kein Gehör. Offenbar hielt man seine Einwände für übertrieben. Dass die Sache zumindest heikel ist und Irritationen auslösen kann, ist den Verantwortlichen jedoch mittlerweile klar. Deshalb betonen sie auf Nachfrage, sie hätten eine gewissenhafte Entscheidung getroffen, als sie vor zehn Jahren erstmals den Auftrag der Waffenfirma annahmen, die quasi um die Ecke liegt.

Die Behinderten der Werkstatt fertigen Verschlüsse für Büchsen

Erstens würden in der Behindertenwerkstatt nur einzelne Bauteile wie etwa Verschlüsse gefertigt, von denen alleine keine Gefahr ausgehen könne. Zweitens handele es sich nicht um Kriegsgerät, sondern lediglich um Jagdwaffen. Und drittens habe es eingehende Gespräche mit den Mitarbeitern sowie die Verabredung gegeben, dass die Teilnahme an der Produktion freiwillig sei. „Wer ethische Bedenken hat, muss nicht mitmachen“, sagt Bernhard Schneider, der Chef der Heimstiftung.

Laut dem Hauptgeschäftsführer plagen solche Zweifel die Beteiligten aber wohl kaum. Im Gegenteil. Weil die Arbeit im Unterschied zu vielen anderen sonst monotonen Tätigkeiten viel Präzision und Konzentration erfordere, seien die Mitarbeiter stolz auf ihre Leistung. „Sie identifizierten sich damit, ohne jedoch Waffen zu verherrlichen.“ Kritische Nachfragen hält Schneider zwar für verständlich angesichts des christlichen Profils der Diakonie, die massiven Vorwürfe des Pfarrers kann er aber nicht nachvollziehen. Das Kardinalproblem sei nicht die Herstellung von Waffen, sondern ihre Kontrolle und die sichere Aufbewahrung.

So ein Auftrag ist lukrativ

Die Heimstiftung verspricht, die Dinge nochmals zu prüfen. Es ist freilich für sie nicht leicht, die Balance zu halten zwischen wirtschaftlichem Zwang und moralischem Anspruch. 200 Behinderte und 40 Festangestellte finden in der Werkstatt Beschäftigung. Jüngst machten finanzielle Probleme Einsparungen in der Einrichtung nötig. Zudem ist es für eine Behindertenwerkstatt stets eine Herausforderung, passende Geschäfte an Land zu ziehen. Da fällt es schwer, auf lukrative Aufträge zu verzichten und Grenzen zu ziehen. „Wenn die Diakonie solche Waffenteile nicht herstellen darf, darf es dann die Arbeiterwohlfahrt oder irgendein Mittelständler?“, fragt Schneider. So plausibel solche Argumente klingen, so verwundert ist man beim Landesverband der Diakonie.

Dort geht man auf Distanz. „Wir halten die Zusammenarbeit mit Waffenproduzenten für sehr problematisch“, sagt Peter Ruf. Laut dem Sprecher des Wohlfahrtsverbandes hatte die Stuttgarter Zentrale bisher keine Kenntnis von dem Arrangement mit der Firma Blaser. Nun werde zum einen mit der autonomen Heimstiftung über mögliche Konsequenzen geredet. Zum anderen will der Verband aus Anlass des Falles prüfen, ob er spezielle ethische Kriterien für solche Konflikte formuliert.

In der Regel gibt es nämlich Einzelfallentscheidungen vor Ort. So hat das Behindertenzentrum Stuttgart (BHZ) schweren Herzens einmal einen Auftrag für medizinische Geräte abgelehnt, weil die bei Schwangerschaftsabbrüchen zum Einsatz gekommen wären. „Grundsätzlich soll unsere Produktion dem Leben dienen“, sagt der BHZ-Chef Albert Ebinger. Er begründet so die damalige Entscheidung. Im BHZ würden sicher keine Waffenteile gebaut, sagt Ebinger noch. Ein Urteil über die Entscheidung, die andere in anderen Lagen treffen, will er damit jedoch nicht fällen.