Firmen, die zu wenig Schwerbehinderte einstellen, müssen eine Ausgleichsabgabe entrichten. Es gibt aber auch Betriebe, die mit Hilfe der Arbeitsagentur Arbeitsplätze schaffen und damit gut fahren.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Uhingen - Bis Ende dieses Monats müssen Arbeitgeber erklären, ob sie im vergangenen Jahr ihrer Pflicht, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen, nachgekommen sind – oder eine entsprechende Ausgleichsabgabe bezahlen. Rainer Lippmann, der bei der Göppinger Arbeitsagentur das Team „Rehabilitation und Schwerbehinderte“ leitet, würde auf das Geld gerne verzichten. „Besser ist es in jedem Fall, die Leute mit unserer Hilfe einzustellen“, stellt er kurz und knapp fest.

 

Gefordert wird vom Gesetzgeber, bei Firmen mit mehr als 20 Mitarbeitern und gemessen an der jeweiligen Beschäftigtenzahl, eine Quote von fünf Prozent. Die öffentlichen Arbeitgeber im Agenturbezirk, also in den Landkreisen Göppingen und Esslingen, erfüllten dieses Kontingent im Jahr 2012. Sie lagen mit einem Durchschnitt von 5,7 Prozent sogar etwas darüber. Anders ist die Situation in der Privatwirtschaft, wo der Anteil bei 3,8 Prozent lag. Insgesamt mussten die Unternehmen damit monatlich rund 150 000 Euro abführen. Die einzelnen Firmen zahlten je nach Quotenerfüllung zwischen 1260 und 3120 Euro pro Jahr.

Möglichkeiten, die Zahlung der Ausgleichsabgabe zu vermeiden, gebe es viele, betont Rainer Lippmann. So könne beispielsweise ein Schwerbehinderter, je nach Schwere seiner Behinderung und je nach Art der Tätigkeit, auf mehrere Pflichtarbeitsplätze angerechnet werden. So zähle etwa ein behinderter Auszubildender doppelt. „Unsere Experten im gemeinsamen Arbeitgeberservice der Agentur und des Jobcenters beraten und informieren gerne, auch und gerade, was die finanzielle Unterstützung beim Einrichten entsprechender Arbeitsplätze angeht“, ergänzt der Teamleiter.

Agentur vermittelt, Fachdienst begleitet

Hilfe bekommen aber natürlich auch die Behinderten, die auf der Suche nach einem Praktikumsplatz oder einer festen Stelle sind. Auch für deren Vermittlung ist die Arbeitsagentur zuständig. Die spätere Begleitung übernimmt der sogenannte Integrationsfachdienst (IFD). Erst jüngst ist, wie berichtet, das Rote Kreuz Göppingen vom Kommunalverband Jugend und Soziales als landesweit bester IFD ausgezeichnet worden. „Möglich, das zeigen die gemachten Erfahrung, ist vieles, auch wenn es sich im gewerblichen Bereich manchmal etwas schwieriger darstellt“, sagt Lippmann.

Dass es dennoch geht, stellen im Stauferkreis unter anderem das Kräuterhaus Sanct Bernhard und der Werkzeug- und Maschinenbauer EWS unter Beweis. So sind bei dem Naturheilmittelhersteller aus Bad Ditzenbach in der Logistikabteilung drei der 48 Beschäftigten behindert. „Das ist erklärte Firmenpolitik“, sagt der Abteilungsleiter Andreas Holst. Man habe Tätigkeiten gesucht und gefunden, die zur jeweiligen Person passten, fügt er hinzu. „Das funktioniert dann zwar nicht immer auf Dauer, aber das ist mit jedem anderen Mitarbeiter ja auch so“, sagt Holst, der schon gespannt auf den nächsten Langzeitpraktikanten ist, der im Kräuterhaus Sanct Bernhard im Herbst anfangen wird.

Weigele: Unerwartete Stärken treten zu Tage

Bei der EWS in Uhingen hat der gehörlose Artur Volobuev die Praktikumsphase längst hinter sich. Nach einer erfolgreichen Ausbildung zum Feinwerktechniker arbeitet der 27-Jährige völlig selbstverständlich in der Fertigung mit. „Es hat ein wenig länger gedauert, und wir mussten unsere Messeinrichtungen an seinem Arbeitsplatz von Ton- auf Lichtsignale umstellen, aber Artur ist ein richtig Guter“, lobt Frank Weigele, der technische Geschäftsführer des Unternehmens. Auch die Kommunikation mit den Kollegen sei kein Problem mehr. Im Fall der Fälle fungiere Volobuevs Kumpel Andreas Gross, der zwar keine Gebärdensprache beherrsche, ihn aber am besten kenne, als Übersetzer. „Das ist nur noch selten notwendig“, erklärt Gross. Auch die anderen verstünden Artur inzwischen.

Frank Weigele lässt keinen Zweifel daran, „dass es manchmal ein gewisser Akt ist, den Arbeitsplatz und die Abläufe entsprechend anzupassen, weil es oft auf Kleinigkeiten ankommt“. Sieben Schwerbehinderte zählen dennoch zur 165 Köpfe zählenden Belegschaft der EWS. „Wir haben uns als Philosophie auf die Fahnen geschrieben, auch den Schwächeren eine Chance zu geben“, stellt Weigele klar. Das zeige sich auch daran, dass Förderschüler im Betrieb einen Ausbildungsplatz finden könnten. „Wir haben festgestellt, dass viele behinderte oder anderweitig eingeschränkte Menschen unerwartete Stärken offenbaren, wenn ihnen Entfaltungsmöglichkeiten geboten werden“, fährt der Geschäftsführer fort.