In unserer Serie „Mein 2017“ sprechen wir mit Menschen, die im vergangenen Jahr etwas Außergewöhnliches erlebt haben. Wir fragen nach, wie es ihnen geht, was sich inzwischen verändert hat und blicken auch ein wenig in die Zukunft. Heute: Ivo Josipovic, der seit anderthalb Jahren dafür kämpft, dass das Leben von Behinderten im Stadtbezirk leichter wird.

Vaihingen - Langsam, ganz langsam bewegt sich was in Vaihingen. Auf einmal sind die Treppenstufen des Rathauses weiß markiert. Eine barrierefreie Toilette am Buchrainfriedhof ist eingerichtet. Und bald sollen die Ampelphasen für Fußgänger rund um die Schwabengalerie länger werden.

 

Das alles geht auf das Konto eines Mannes: Ivo Josipovic. Seit eineinhalb Jahren kämpft der Rollifahrer gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Barrierefreies Vaihingen für einen Stadtteil, in dem sich auch Behinderte gut bewegen und ein normales Leben führen können. Was er gelernt hat in diesem Jahr als Behindertenbeauftragter? Vor allem eines: dass die Mühlen der Stadt langsam mahlen. Und er Geduld braucht.

„Ich hatte richtig Frust im Frühjahr“, erzählt Josipovic. Da war er gerade mal ein halbes Jahr im Amt und wollte – ganz Leistungssportler im Herzen – schnell Erfolge sehen. „Ich kämpfe ja nicht für mich, sondern für andere“, betont der Vaihinger. Doch zunächst tat sich nichts. „Das hat mich aufgeregt“, sagt Josipovic. Und: „Ich hatte mir das alles einfacher vorgestellt.“ Doch aufgeben wollte er auf keinen Fall. Im Gegenteil.

Der 36-Jährige ist unbequem, wenn es sein muss

Sein großes Ziel ist es, dass eine öffentliche und barrierefreie Toilette im Vaihinger Rathaus eingerichtet wird. Doch warum? „Es gibt zwar vier oder fünf barrierefreie Toiletten im Ort, doch die sind alle nicht öffentlich – und man muss immer fragen, ob man sie benutzen darf“, erzählt Josipovic. Schön sei das nicht. Doch was soll man als Rollstuhlfahrer machen, wenn man gerne abends mit seinen Freunden in die Kneipe geht und dann aufs Klo muss? Oft sind die Toiletten im Keller und nur über Stufen erreichbar. Eine zentrale öffentliche Toilette würde da schon helfen. „Für mich selbst ist das ja kein Problem“, betont Josipovic. Er frage einfach seine Freunde – und die tragen ihn dann hinunter und wieder herauf. Doch was machen andere? „Schon eine kleine Schwelle kann für Manche das Aus bedeuten.“

Und so legt sich der 36-Jährige mächtig ins Zeug, um die kleinen und großen Hürden für Behinderte im Stadtteil ausfindig zu machen und sie zu ändern. „Ich bin dezent unbequem, damit sich etwas bewegt“, sagt Josipovic und grinst. Und es bewegt sich doch etwas: Zugesagt sind bereits weitere kleine Änderungen. So soll es bald einen Behindertenparkplatz am Eingang Gartenstraße zum Alten Friedhof geben. Auch soll dort eine barrierefreie Rampe eingerichtet werden, damit nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch Menschen mit Rollator oder Kinderwagen Zugang haben.

Anerkennung im Bezirksbeirat steht bevor

Und: Die offizielle Anerkennung von Ivo Josipovic als Behindertenbeauftragter im Bezirksbeirat steht kurz bevor. Dafür muss allerdings erst die Hauptsatzung der Stadt Stuttgart geändert werden, damit es neben beratenden sachkundigen Mitgliedern für Migration und Integration auch Behindertenbeauftragte mit einem solchen Status geben kann. „Das wäre endlich meine offizielle Anerkennung“, sagt Josipovic.

Denn seinen – nicht mehr ganz neuen – Job liebt der kämpferische Mann: „Ich mache das sehr gerne“, gibt er zu. Sein Herz hänge daran. Doch was hat sich für ihn in diesem Jahr durch seine neue Aufgabe geändert? „Ich denke viel mehr mit und auch für andere nach“, sagt Josipovic. Er habe viel von der Arbeitsgruppe gelernt – uns sie auch von ihm. Er ist über Richtlinien und andere Hindernisse gestolpert und hat festgestellt: Wer nicht betroffen ist, denkt über die alltäglichen Probleme von Behinderten nicht nach. Genau das will er ändern: „Ich möchte anstoßen, dass die Leute anfangen nachzudenken.“ Ein Anfang ist gemacht.