22 Monate ist die Brandkatastrophe in der Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt her. Damals gab es 14 Tote. Nun kann die Werkstatt wieder öffnen und die Behinderten und Betreuer können zurückzukehren.

22 Monate ist die Brandkatastrophe in der Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt her. Damals gab es 14 Tote. Nun kann die Werkstatt wieder öffnen und die Behinderten und Betreuer können zurückzukehren.

 

Titisee-Neustadt - Die Spuren des Feuerdramas sind beseitigt, die Erinnerung bleibt: Auf den Tag genau 22 Monate nach der Brandkatastrophe mit 14 Toten in einer Behindertenwerkstatt in Titisee-Neustadt im Schwarzwald kehrt in das Gebäude wieder Leben ein. Die ersten der insgesamt 100 Behinderten und 25 Betreuer kommen diesen Freitag (26.9.) in das Gebäude zurück, die Werkstatt nimmt damit erstmals seit dem Unglück wieder ihren Betrieb auf. Doch der Weg zurück in die Normalität ist für alle eine Herausforderung.

„Das Brandunglück hat uns stark verändert“, sagt Rainer Gantert. Der stellvertretende Vorstand der Caritas in Freiburg geht durch die noch menschenleeren Räume der Werkstatt. Am 26. November 2012 kam es hier zu einer Explosion und einem Feuer. 13 behinderte Menschen und eine Betreuerin kamen ums Leben, 14 Menschen wurden verletzt. Es war ein Drama ohne Beispiel. Der Schock ist seither groß. Und hält an.

„Behindertenarbeit lebt davon, dass die Menschen in einem ihnen vertrauten Umfeld sowie in geordneten Bahnen leben und arbeiten“, sagt die Psychologin Susanne Schmid. Sie betreut und begleitet gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Weber, der bereits die psychologische Hilfe nach dem Amoklauf 2009 mit 16 Toten in Winnenden organisierte, die Betroffenen und ihre Angehörigen. Das Feuer in ihrer Werkstatt habe den behinderten Menschen Sicherheit, Stabilität, Geborgenheit und Vertrauen genommen. Sie seien traumatisiert. „Wir mussten und müssen ihnen Ruhe und Zeit des Verarbeitens einräumen.“

Schnelle Rückkehr war nicht gewollt

Das Feuer habe „an die Grundpfeiler unserer Arbeit gerührt“, sagt Schmid der Nachrichtenagentur dpa. An eine schnelle Rückkehr in die alten Räume war nicht zu denken. Sie war vom Träger der Werkstatt, der Caritas Freiburg, auch nicht gewollt. Die Behinderten und ihre Betreuer wurden in einem Ersatzgebäude im nahe gelegenen Löffingen untergebracht. Die Werkstatt in Titisee-Neustadt stand lange leer und wurde dann umgebaut. Die Arbeiten, die nun beendet sind, liefen unter der Regie der Psychologen. Investiert wurden 1,5 Millionen Euro.

Drei der insgesamt 100 behinderten Menschen wollen nicht zurück an den Ort des Geschehens, ihnen wird eine Alternative geboten. Die anderen haben seit Juni in Kleingruppen die Werkstatt besucht und sich ein erstes Bild gemacht. Nun kehren sie schrittweise zurück, jeweils in kleinen Gruppen. Bis Ende Oktober sollen dann alle behinderten Beschäftigten und ihre Betreuer zurückgekehrt sein.

Die Rückkehr ist für die Betroffenen schwierig. Um sie ihnen zu erleichtern, hängen an den Wänden Bilder, die von den behinderten Menschen selbst gemalt wurden. Sie sollen Vertrautheit schaffen. „Insgesamt kann man sagen, dass die Menschen sich freuen, wieder in ihre Werkstatt zurückkehren zu können“, sagt Schmid. „Das Arbeiten hier in der Gemeinschaft ist für die meisten von ihnen Stütze und Lebensinhalt.“ Psychologisch betreut werden sie weiterhin.

Gebäude und Räume wurden neu gestaltet

„Uns war wichtig, die Werkstatt neu aufzubauen, sie aber wiedererkennbar zu machen“, sagt Caritas-Vize-Chef Gantert. „Wir wollen vertraute Umgebung bieten, es sollen aber keine schlimmen Erinnerungen wach werden.“ Gebäude und Räume wurden daher neu gestaltet. Sie sind moderner, offener und heller als früher. Zudem wurden zusätzliche Angebote für Mehrfach- und Schwerstbehinderte geschaffen. Den Betroffenen soll das Einleben so erleichtert werden.

„Die Zeit des Wiedereinfindens wird noch lange dauern“, sagt die Psychologin. Um den Beschäftigten Zeit und Ruhe zu geben, wird die Rückkehr nicht öffentlich begangen. Eine offizielle Eröffnung soll erst für Frühjahr nächsten Jahres stattfinden. Bis dahin ist auch eine Gedenkstätte im Garten der Werkstatt geplant. „Wir wollen uns bewusst Zeit lassen und möglichst viele Betroffene in die Gestaltung einbinden“, sagt Gantert. Druck von außen solle vermieden werden.

Juristisch ist das Unglück abgeschlossen. Ursache war laut Polizei und Staatsanwaltschaft ein Bedienungsfehler an einem Gasofen in der Werkstatt. Im Februar diesen Jahres wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt, ohne dass es zu einer Anklage kam.